Es ist nicht so, dass sie gerne geht. „Ich wäre lieber dageblieben“, sagt Inge Dill, lacht laut und schaut nachdenklich im Büro umher. „Aber irgendwann ist’s halt mal gut.“ Dieses Irgendwann war bereits am 30. Juni: Da endete ihr Arbeitsverhältnis.  Nach mehr als 53 Jahren Dienst als Verwaltungsangestellte im Brettheimer Rathaus.
Als 14-Jährige hatte sie bei Bürgermeister Siegfried Wittmann die Lehre angetreten und seitdem war sie immer da – als Brettheim eingemeindet wurde und Wittmann fortan Ortsvorsteher war, unter dessen Nachfolgern Fritz Braun und Reiner Groß, unter drei Bürgermeistern von Rot am See: Karl Walch, Manfred Setzer und Siegfried Gröner. „Ich bin mit allen meinen Chefs super ausgekommen“, sagt Dill. Über ein halbes Jahrhundert hat sie im selben Büro gearbeitet, und wenn es nicht so uncharmant wäre, müsste man sagen: „D’ Dille Inge“, wie die Brettheimer sagen, gehört zum Inventar. An ein Rathaus ohne sie wird man sich gewöhnen müssen.
Vor allem gilt das für Ortsvorsteher Groß: „Fast hätten wir silberne Hochzeit feiern können“, sagt er. Seit 24 Jahren nämlich arbeiten die beiden Seit’ an Seit’ – und bilden ein berühmt-berüchtigtes Duo. Durch die offene Tür zwischen ihren Büros fliegen schon mal hohenlohische Satzfetzen der derberen, jedenfalls nicht leicht zu überhörenden Art. „Heit is awwer widder laut zuagange“, heißt’s dann von Leuten, die unten auf der Straße vorbeigehen. Einmal hat ein Mädchen, das mit der Sammelbüchse der Kriegsgräberfürsorge unterwegs war, vor dem Büro gewartet und gelauscht. Dann kam sie rein und sagte: „Das ist gute Unterhaltung hier, sogar durch die Tür.“
Es ist freilich ganz und gar nicht so, dass es da um ernsthafte Zerwürfnisse ginge. Nein, Dill und Groß verstehen sich prächtig und haben einfach Freude am verbalen Säbelrasseln. „Da fehlt schon ein schönes Stück Lebensinhalt“, sagt Groß über den Abschied seiner besseren Hälfte. „Mir fehlt es auch“, sagt Dill, die jetzt freilich mehr Zeit für ihren Garten hat, fürs Radfahren und fürs Reisen – zum Beispiel mit den Kreislandfrauen.
Als sie einst auf dem Rathaus angefangen hat, galt es noch, alle Aufgaben einer selbstständigen Gemeinde zu erledigen – inklusive Standesamt. Sie hatte es mit der Feuerwehrabgabe und dem Wasserzins zu tun, sie musste Botengänge zum Gemeindepfleger im Sobachweg erledigen, sie hat die Abrechnung der örtlichen Viehwaage übernommen, und, und, und. Sie war immer auch Ansprechpartnerin für die Vereine, hat bei Festen mitgeholfen. Wenn eine standesamtliche Hochzeit anstand, hat sie selbst für den Blumenschmuck gesorgt. Zwischendurch arbeitete Inge Dill auch für einige Jahre als Schulsekretärin. Sie war im Amt, als die Brettheimer Turnhalle 1965 gebaut, 1980 renoviert und 2010 grundsaniert wurde. Kurzum: Sie war eine Brettheimer Konstante und für fast alles zuständig.

„Wandelndes Lexikon“

Dill stammt aus Brettheim und kennt alle Einwohner quasi von Geburt an.
„Ein wandelndes Lexikon“ sei sie, sagt Groß. Seit ihrer Hochzeit lebt die Mutter von zwei Söhnen aber in Gammesfeld.
„Der Umgang mit den Leuten“, sagt die Neu-Ruheständlerin, habe ihr besonders gefallen an ihrem Beruf. „Die haben ein bisschen geschwätzt und ich habe ein bisschen geschwätzt. Das musste man dann am Ende des Tages eben wieder reinschaffen.“
Früher hat sie Vollzeit gearbeitet, zuletzt zehn Stunden. Jetzt also kommt sie nur noch sporadisch, um ihre Nachfolgerin Martina Schmieg einzulernen.
Inge Dill ist froh, dass ihr berufliches Erbe gut geregelt ist. Und es wäre überraschend, wenn sie nicht auch künftig ab und zu einmal hereinschauen würde –und sei es nur, um mit Groß ein paar Sprüche auszutauschen.