Hat ein heute 45-jähriger Mann gelogen, als er im Februar 2018 vor dem Amtsgericht Crailsheim als Zeuge ausgesagt hat? Muss der Mann wegen uneidlicher Falschaussage bestraft werden? Mit diesen Fragen ist Amtsrichterin Uta Herrmann derzeit konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft Ellwangen hat den Mann angeklagt, für eine Entscheidung fehlt Herrmann jedoch noch die Aussage einer wichtigen Zeugin, die am Verhandlungstag verreist war.
Ausgangspunkt ist eine Bar in der Crailsheimer Innenstadt, vor der es am 3. März 2017 gegen 23.45 Uhr zu einer Auseinandersetzung gekommen war. Im Verlauf des Streits soll der Angeklagte, der damals das Lokal betrieben hatte, heute jedoch einer anderen Arbeit nachgeht, von zwei Gästen geschlagen worden sein. Zu dieser Erkenntnis war jedenfalls das Amtsgericht Crailsheim im Februar 2018 gekommen. Wegen gefährlicher Körperverletzungen wurden ein heute 33-jähriger Mann zu acht Monaten und ein heute 38-jähriger Mann zu sechs Monaten Haft jeweils auf Bewährung verurteilt. Diese Urteile sind rechtskräftig.
Was zu dieser Auseinandersetzung geführt hat, ist unklar. Der Wirt sagt heute aus, er habe einen der beiden Gäste aus der Bar gewiesen, weil dieser zu betrunken gewesen sei. Zwischen ihm und diesem Mann sowie dessen Begleiter sei es auf der Straße zwar zu einer Schubserei gekommen, er sei jedoch nicht geschlagen worden.
Ganz anders hatte sich das angehört, was der Wirt den beiden Polizisten erzählte, die an den Ort des Geschehens beordert wurden. Der Mann sei völlig verängstigt gewesen und habe berichtet, die beiden Männer hätten Drohungen gegen ihn und seine Familie geäußert und von ihm 4000 Euro verlangt. Diesen Betrag hätten sie auf einen Zettel geschrieben. Der Polizeibeamte, der von diesen Aussagen berichtete, erzählte auch, dass der Wirt im Gesicht verletzt und seine Kleidung zerrissen gewesen sei.
Bei der polizeilichen Vernehmung wenige Tage später ruderte der Gastwirt kräftig zurück. Jetzt sprach er nur noch von einem Missverständnis und wollte nicht, dass die Sache weiter verfolgt wird. 4000 Euro hätte der Gast nicht im Ernst verlangt, sondern nur, weil er so sehr betrunken gewesen sei.
Wurde der ehemalige Wirt geschlagen oder nicht?
Eine dritte Version tischte der Angeklagte jetzt dem Gericht auf: Es sei nicht um Geld gegangen, das die Männer von ihm verlangt hätten, sondern um Geld, das einer der Männer ihm geschuldet habe – Zechschulden in Höhe von 40 Euro nämlich. Diesen Betrag habe der 33-Jährige auf einen Zettel geschrieben und so gewissermaßen einen Schuldschein ausgestellt.
Ob die Zahl 40 oder die Zahl 4000 auf dem Zettel stand, wird sich nicht mehr klären lassen, denn das Dokument existiert nicht mehr – der Wirt hat es schon damals weggeworfen. Ebenso ungeklärt ist, ob diese Zahl für eine Forderung oder eine Schuld stand.
Schon im Prozess im Februar 2018 hat sich der Vorwurf der versuchten räuberischen Erpressung, den die Staatsanwaltschaft gegen den 33-Jährigen und den 38-Jährigen erhoben hatte, nicht aufrechterhalten lassen. Für das erneute Verfahren um die Frage einer uneidlichen Falschaussage ist das auch nicht von zentraler Bedeutung. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, ob der Wirt geschlagen worden ist oder nicht. Davon hängt ab, ob er im ersten Verfahren die Wahrheit gesagt hat oder nicht.
Keiner der Zeugen allerdings, die Uta Herrmann bisher vernommen hat, hat beobachtet, dass der Wirt geschlagen worden ist. Eine 31-jährige Frau, die damals gelegentlich in der Bar bedient hatte und die während des Streits von ihrer Schwester nach draußen gerufen wurde, sagte zum einen, die drei Männer hätten sich herumgeschubst, zum anderen, die beiden Gäste hätten sich bedrohlich vor dem Wirt aufgebaut. Sie wisse jedoch nicht, ob da jemand zugeschlagen habe.
Weitere Zeugin wird vom Gericht angehört
Eine weitere Zeugin sagte, sie habe das Lokal während der Auseinandersetzung vor dem Gebäude nicht verlassen, weil sie sich nicht einmischen wollte.
Die Wahrheitsfindung hängt nun von der Aussage einer weiteren Zeugin ab, der Schwester der 31-jährigen Bedienung. Weil sie in Urlaub war, konnte sie nicht vernommen werden. Dies soll nun am zweiten Verhandlungstag geschehen, für den auch mit dem Urteil gerechnet wird.