Ich hoffe, euch alle wieder persönlich begrüßen zu können“, so schloss Ramin Bahrami seine kurze, in deutscher und italienischer Sprache gehaltene Ansage zu Beginn seines Online-Konzerts, das er im Ratssaal des Crailsheimer Rathauses gegeben hat. Sozial- und Baubürgermeister Jörg Steuler verwies in der Begrüßung zum einen auf Crailsheim als zweite Heimat des aus dem Iran stammenden und auch oft in Italien weilenden Pianisten. Bahramis erste Heimat sei die Musik. Sie und die Künstler seien in letzter Zeit zu kurz gekommen. Mit dem Konzert wolle die Stadt mit dem Künstler Licht in eine dunkle Zeit bringen. Dass Ramin Bahrami ausgerechnet den Ratssaal für sein, wie er es nannte, „erstes Corona-Konzert“ ausgesucht habe, zeige, so Steuler weiter, „dass auch in einer kleinen Stadt Großes geschehen“ könne.
80 Crailsheimer verfolgten das etwa einstündige Konzert online kostenfrei, 3070 weitere weltweit mit zu bezahlenden Tickets. Damit trug der Pianist – sozusagen als Nebeneffekt – ein wenig zu größerer Bekanntheit Crailsheims in der Welt bei.
Die Idee für ein Online-Konzert übermittelte Bahrami der Stadt Anfang Mai: ob dergleichen möglich wäre? Es war. Anne-Sophie Frank und Susanne Kröper-Vogt von der Stadtverwaltung nahmen Kontakt zu Bahramis Agentur „Calma Management“ auf, um noch offene Fragen bei der technischen Umsetzung zu klären.
Die Stadt übernahm dabei die Kosten für die Technik, die mit Thomas Heinrich und Kameramann Manuel Metzger von der Media Resource Group geliefert wurde, und für das Stimmen des Flügels, Bahramis Agentur für das Streaming und den Ticketverkauf. Knapp vier Euro kostete einen Zuhörer der Zugang zum Konzert.
Dass da einiges nicht ganz funktionierte, führte zu Beginn des Online-Konzertes zu einer kleinen Verzögerung, wie Anne-Sophie Frank den wenigen Zuhörern im Ratssaal erklärte. Normalerweise müsse man sonst eher auf den Künstler warten, in diesem Fall aber auf Zuhörer, die sich noch einwählen müssen. „Ja, das ist eine neue Erfahrung“, kommentierte der wartende Ramin Bahrami.
Das Konzertprogramm selbst orientierte sich zum Teil an Ramin Bahramis neuester beim Plattenlabel Decca Italien erschienener CD „Malinconia“. Dazu gehörte die einleitende „Aria“ in d-Moll von Domenico Scarlatti, vom Pianisten schön gesanglich ausgebreitet und mit fein getönten Verzierungen versehen.
Dazu gehörten auch drei Mazurken von Frédéric Chopin, einer der Romantiker, der immer wieder im Zusammenhang mit melancholischem Ausdruck genannt wird. Mit der zumeist durch weichen Anschlag gekennzeichneten Wiedergabe dieser Tanzstücke spürte Bahrami dem „verlorenen Gefühl“ nach, wie es im Text zu seiner CD heißt.
Was Bahrami besonders schön gelang, war nicht nur, das tänzelnde Moment herauszuarbeiten, sondern auch gesanglich-wehmütiges Schwelgen mit der Erinnerung an die Heimat Polen über den damaligen polnischen Nationaltanz, den tröstenden Tonfall und das Aufhellen in kurzen Dur-Abschnitten. Ein Moment von Wehmut in der langsamen Einleitung und ihrem Vergessen im sich anschließenden Tanz bot danach ebenso Federico Mompous „Cançon y Danza No. 6“.
Diesen auch auf Bahramis neuer CD zu findenden Stücken wurden im Online-Konzert Werke von Johann Sebastian Bach gegenübergestellt. Die ersten beiden Präludien und Fugen aus dem ersten Band des „Wohltemperierten Claviers“ gehörten dazu.
Zum das alle Töne der chromatischen Tonleiter enthaltenden C-Dur-Präludium stellte Ramin Bahrami mit viel Pedalspiel die wunderbar geatmeten Harmonien in den Vordergrund. Abgeklärte Heiterkeit bestimmte die sich anschließende Fuge. Dagegen suchte er mit dem c-Moll-Präludium den Gegensatz dazu mit aufgewühlter Dramatik, während die Fuge zum klaren Kontrast mit schön herausgearbeiteter harmonischer Abfolge geriet.
Die Partita in a-Moll BWV 827 brachte dann toccatenhaft schnelles Tänzeln in der einleitenden „Fantasia“, gefolgt von schönem Wechselspiel zwischen den Stimmen im Allemande-Satz. Keck im Ausdruck wirkte die virtuos vorgetragene Courante, während in der recht zügig im Tempo gespielten Sarabande die Triolenfolgen recht gesanglich zum Klingen gebracht wurden.
Als leicht ruppiger Kontrast erschien die „Burlesca“, wobei der insgesamt feinsinnige Anschlag nicht hinweggefegt wurde. Nach dem gedämpft klingenden Scherzo erschien die beschließende Gigue wie ein pulsierender Fluss. Diesen Duktus nahm Ramin Bahrami dann im Schlusssatz von Bachs „Italienischem Konzert“ wieder auf.
Sprühende Spielfreude
Vorausgegangen waren ein kräftig herausfahrender wie mit Verve wiedergegebener Eingangssatz, dem ein in sich gekehrt interpretiertes „Andante“ mit verzierter Melodik als Kontrapunkt folgte. Die sprühende Spielfreude im Schluss-Presto fegte mit ihren vielen geschwind gespielten Noten jegliche Melancholie am Ende hinweg.
Mit der „Aria“ aus Bachs Goldberg-Variationen als einer Art Nachklang erinnerte Ramin Bahrami daran, verbunden mit einer Widmung an alle Zuhörer und deutschen wie italienischen Freunde. Die können ihn das nächste Mal im August im mittelitalienischen Camerino bei einem Open-Air-Konzert live erleben.