An der sportlichen Situation hat Fußball-Drittligist VfR Aalen eigentlich schon genug zu knabbern, das Team steckt im Abstiegskampf. Zu allem Überfluss sorgen auch Fans des Vereins für negative Schlagzeilen wie neulich auf dem Bahnhof in Crailsheim, darunter welche der Ultragruppierung Crew Eleven. Die Bundespolizei stuft viele von ihnen als „Problemfans“ ein.
Warum taucht hier die Bundespolizei auf? Weil zu deren Einsatzschwerpunkten gehören: Gefahrenabwehr und Strafverfolgung auf den Bahnhöfen und auf den Gleisanlagen, gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr, gezielte Streifentätigkeit und Fahndung in kriminalitätsgefährdeten Zügen des Personennahverkehrs zur Erhöhung der objektiven und subjektiven Sicherheit sowie Maßnahmen auf Bahnhöfen und in Zügen im Zusammenhang mit der Personenbeförderung bei Großveranstaltungen (zum Beispiel Fußballspiele).
Polizisten reisen im Zug mit
Und damit zurück zum VfR Aalen. Am Samstag, 2. Februar, spielt der Klub bei den Würzburger Kickers und verliert 1:2 in der Nachspielzeit. Drei szenekundige Beamte, kurz SKB, der Bundespolizeiinspektion Stuttgart reisen mit den Aalener Fans im Zug zum Spiel und zurück. Sie kennen sich mit Risikogruppen aus, fungieren als Bindeglied zwischen den Anhängern und der Polizei – und tragen deshalb keine Uniform.
Schlusspfiff in Würzburg ist kurz vor 16 Uhr, doch den Zug, der um 16.41 Uhr vom Hauptbahnhof Richtung Aalen abfährt, erwischen die Fans nicht mehr. Es gibt die üblichen verkehrsbedingten Verzögerungen nach Fußballspielen. Zudem sei es der Intention geschuldet, sich am Bahnhof zu verpflegen, heißt es bei der Bundespolizei. Deren Stuttgarter Inspektion antwortete auf einen Fragenkatalog unserer Zeitung.
Die Fahrt mit RB 58127 nach Ansbach war dann „vorherrschend von teils übermäßigem Alkoholkonsum und fantypischem Verhalten geprägt“, schreibt die Bundespolizei. Ankunft 18.46 Uhr, 21 Minuten später soll es weitergehen, doch RE 19914 von Nürnberg nach Stuttgart hat sieben Minuten Verspätung, hält hinter Wicklesgreuth auf freier Strecke. Als Grund gibt die App der Deutschen Bahn „polizeiliche Ermittlung“ an. Was dahintersteckt, verrät die Bundespolizei: „Eine Sperrung der Gleise war notwendig, da sich im Bahnhof Ansbach eine Person im Gleis befand.“ Allerdings habe es sich dabei um keinen Fußballanhänger gehandelt.
Andere Fußball-Fans steigen zu
In Ansbach angekommen steigen einige Fans vom 1. FC Nürnberg und SV Werder Bremen aus dem Regionalexpress aus, die das Bundesligaspiel am Nachmittag in Nürnberg besucht haben. Und jetzt treffen diese auf die rund 60 Ultras des VfR Aalen, darunter 40 Problemfans. Letztere verhalten sich laut Bundespolizei „verbal aggressiv“.
Körperliche Übergriffe wurden „durch vehementes Einschreiten und der Androhung von Zwangsmitteln durch Beamte der Bundes- und Landespolizei sowie der szenekundigen Beamten der Bundespolizeiinspektion Stuttgart“ verhindert. Wer sich wundert, wo plötzlich die ganze Polizei herkommt: „Die Überwachung von Umsteigevorgängen, insbesondere bei Ultragruppierungen, durch die örtlichen Polizeibehörden (Bundes- und Landespolizei), stellt eine regelmäßige Einsatzmaßnahme dar.“
Die Polizei trennt die Fans „präventiv“ von den Hooligans
Der Zug Richtung Aalen verlässt Ansbach mit weiteren vier Minuten Verspätung. „Auf einmal waren die Schwarzjacken drin“, berichtet ein Fahrgast aus Schnelldorf, der zum Einkaufen in Nürnberg war und mit Fußball eher weniger am Hut hat. „Das war nicht schön“, sagt er. „Es wurde geraucht, gerülpst, geschrien und Bier getrunken.“
Die SKB fordern Nürnberger und Bremer Fans auf, die noch im Zug sitzen, in den hinteren Teil zu gehen. Dadurch sollen Konfrontationen verhindert werden. „Die präventive Trennung verfeindeter Anhänger unterschiedlicher Sportmannschaften stellt eine regelmäßig durchgeführte Einsatzmaßnahme dar“, betont die Bundespolizei.
Am Bahnhof wird es chaotisch
Im Zug funktioniert die präventive Trennung, nach der Ankunft in Crailsheim misslingt sie, obwohl schon elf Polizeibeamte der Landespolizei auf dem Bahnsteig zwischen Gleis 3 und 4 warten – ein Großeinsatz. Dazu kommen die drei szenekundigen Beamten. Was dann passiert, schildert die Bundespolizei so: „Beim Umsteigevorgang in Crailsheim kam es zu verbalen Provokationen, überwiegend durch die Anhänger des VfR Aalen, mit den ebenfalls im Zug befindlichen Anhängern des 1. FC Nürnberg und SV Werder Bremen. Im Zuge dessen kam es zu einer Fanvermischung und der anschließenden Körperverletzung zum Nachteil eines 59-Jährigen.“
Der 59-Jährige kommt aus Crailsheim und ist Bremen-Fan. Ein Unbekannter, der der Aalener Ultragruppierung zuzuordnen ist, schlägt ihm mit der Faust ins Gesicht. Platzwunde. Der Täter wird zunächst von einem Polizisten gestellt, doch er wird von einem anderen VfR-Anhänger befreit und taucht in der Menge unter. Die Situation droht außer Kontrolle zu geraten. „Aufgrund von Solidarisierungen seitens der Anhänger“, argumentiert die Bundespolizei, setzt die Landespolizei Reizstoffspray ein. Und die SKB? „Beobachteten die Körperverletzung nicht unmittelbar. Sie waren während der Fanvermischung an anderer Stelle gebunden.“
Kurz vor Abfahrt des Zuges auf dem gegenüberliegenden Gleis kommt es zu zwei Beleidigungen zum Nachteil zweier Polizisten. In diesem Fall identifizieren die SKB zwei Aalener Fans, 23 und 24 Jahre alt. Gegen einen 26-Jährigen ermittelt die Bundespolizeiinspektion Stuttgart wegen des Verdachts der Gefangenenbefreiung sowie des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Zählt man den Faustschlag dazu, ereigneten sich vier Straftaten.
Augenzeuge: Polizei konnte friedliche Fans nicht schützen
Ein junger Mann, der in Crailsheim aussteigt, berichtet, dass der 59-Jährige, bevor er den Schlag abbekommen habe, „hin und her geschubst“ worden sei. „Wir hätten auch auf die Fresse kriegen können, waren plötzlich mittendrin in dem Rudel.“ Der Augenzeuge findet noch, dass „kleine rechtsfreie Räume“ entstanden seien und dass die Polizei „unfähig“ gewesen sei, die friedlichen Fans zu schützen. Sie habe es zugelassen, „dass man sich über den Weg läuft“. Dabei hätte sie doch gewarnt sein müssen, weil sie vor Ankunft des Zuges andere Reisende gewarnt habe.
Seinen Unmut gibt der junge Mann einem Beamten gleich am Bahnhof zu verstehen. Dessen Antwort lautet sinngemäß so: „Was wollen Sie denn? Wir sind doch kein Polizeistaat. Die Alternative wäre, dass wir allen im Zug Handschellen anlegen und sie dann rübereskortieren.“