Rund 190 Millionen Euro Umsatz hat die Bönnigheimer Traditionsfirma Amann im Jahr 2018 gemacht. Sie ist im Besitz der Hanns A. Pielenz Stiftung, mit 2260 Mitarbeitern ist Amann inzwischen in 100 Ländern tätig.
Vom Umsatz entfallen rund 66 Prozent auf den Bekleidungssektor und 25 Prozent auf den Automotive-Bereich. Bei Garnen rund ums Auto sei Amann führend in Europa, sagt Marketingleiterin Barbara Binder, und verweist auf den roten Serafil-Faden, der einen Autositz ziert. „Das ist unser Paradepferd“, so die Bönnigheimerin. Der Faden werde auch im Luxusbereich gerne verwendet.
Bei einer sichtbaren Naht komme es auf den edlen, seidenartigen Glanz an, zudem müsse bei einem solchen Sitz das Garn extrem dauerhaft und scheuerfest sein. Gleich daneben liegt im Showroom der Firma ein Airbag, der ebenfalls mit Amann-Garn vernäht ist, auch Sicherheitsgurte oder Fallschirme werden damit versehen. Für den Hochsicherheitsbereich müssten die Garne noch scheuerfester sein, was die Firma an ihrem Augsburger Standort lange testet, bevor die Produkte angeboten werden.
Rund 300 Mitarbeiter arbeiten in Bönnigheim und Erligheim, etwa 200 in Augsburg, wo auch die Entwicklungsabteilung angesiedelt ist. Dort werden Ideen ausgetüftelt, dort wird ausprobiert, ausführlich getestet und an Kundenbedürfnisse angepasst. Dazu gehören auch leitfähige Nähfäden und Stickgarne, die neue Anwendungen erlauben.
Leitfähige „Smart-Garne“ sind etwa in einem Schmerzgürtel verarbeitet, der elektrische Impulse weitergibt und so bei der Schmerztherapie eingesetzt wird und den Medikamentenverbrauch minimiert. Diabetiker mit offenen Wunden kann so dank entsprechender Sohlen mit Impulsen durch das leitfähige Garn geholfen werden. „Die Idee ist, dass das Schmerzgedächtnis umgelenkt wird und der Schmerz vergessen wird“, erklärt Binder das Produkt, das zusammen mit Ärzten entwickelt wurde. Seit drei Jahren ist die Idee bereits am Markt.
Für den Massenmarkt werden freilich andere Fäden gebraucht. Sabaflex ist ein extrem elastischer Faden für Strech-Sportbekleidung. Im Outdoor-Bereich geht es darum, Bekleidung oder Zelte wasserdicht zu machen. Das funktioniert mit einer Beschichtung, die verhindert, dass Wasser durch die Stiche eindringt.
Guter Sound
Im Showroom des alten Amann-Stammsitzes an der Bönnigheimer Hauptstraße steht auch ein Wakeboard eines österreichischen Start-Up-Unternehmens, in das Metallfäden eingestickt sind und so für ein besonderes Design sorgen. Ein weiteres Neuprodukt ist ein mp3-Player, der auf einem Carbonfuß mit Metallfäden steht und sogar im Pappkarton noch einen guten Sound liefert.
Die Idee des Stoffschalters, mit dem etwa am Autositz oder auf dem heimischen Sofa vieles geregelt werden kann, ist eine der großen Hoffnungen des Unternehmens. „Der Strom ist da, wo er sein soll“, erklärt Binder das Prinzip, das auch für den Markt an E-Autos interessant werden könne. Auf einer Schautafel mit verschiedenen Lampen wird das Prinzip deutlich. Durch Berührung der Lampe kann sie angeschaltet werden, durch Streichen gedimmt und ein Näherungssensor bewirkt, dass die Lampe heller wird je näher man ihr kommt. Der silberbeschichtete Spezialfaden sorgt dafür, dass es keinen Plastik-Kippschalter oder Dimmer mehr braucht. Nicht nur beim Design sondern auch in Sachen Umwelt ein Fortschritt, wirbt das Unternehmen für seinen „Silver-tech“-Faden.
Auf Brexit vorbereitet
Rund zwei Millionen Euro investiert Amann in Forschung und Entwicklung, was sich später mit solchen Produkten auszahlen soll. In Rumänien läuft die Europafertigung inzwischen auf Hochtouren, in China wird für den chinesischen Markt produziert. Dazu kommt die Produktion für den Automotive-Bereich in Manchester. „Wir haben auch vorgesorgt“, sagt Binder zu einem möglichen Brexit, wie so viele Unternehmen, die auf der Insel präsent sind.
Ökologie und Nachhaltigkeit sind heute mehr denn je im Markt gefragt, für den das Unternehmen gerade an einem vollökologischen Produkt forscht, das bedenkenlos in der Natur eingesetzt werden kann. Das „Cradle-to-Cradle“-Prinzip sei Ansporn für zukünftige Produktentwicklungen, sagt Binder. Lösemittelfreies Verfestigen von Stoffen, Verzicht auf Perfluorcarbone bei wasserabweisenden Fäden und recycelbares Polyester sollen diesem Prinzip Rechnung tragen.