Wenn die Hanswurste, der Spielmannszug und die Butzen durch Grosselfingen ziehen, kommt schon mal kurz der Straßenverkehr zum Erliegen. Am Mittwoch kündigte die Bruderschaft des Ehrsamen Narrengerichts zu Grosselfingen beim „Rombalga“ den Jahrtag an – so wie seit Hunderten von Jahren. Da beugt sich auch der Autofahrer der Tradition und bleibt ganz gelassen, bis der Zug von der Haupt- in die nächste Seitenstraße einschwenkt.
Vom „Gerichtssaal“ im alten Grosselfinger Schulhaus geht es durch den Ort. Am Ende wird der Zug wieder dort enden. „Es sind diesmal viel mehr dabei als sonst“, freut sich Narrenvogt Manfred Ostertag. Er erinnert sich noch an die 60er- und 70er-Jahre, als lediglich zehn oder zwölf Mann „romgebalgt“ haben, am Mittwochnachmittag  waren es stattliche 40. Doch die Nachwuchswerbung hat funktioniert, die Jugendarbeit läuft prima. Ostertag ist zufrieden – und weiß: Nur mit gutem Team wird gut gearbeitet. Hübscher formuliert: „Der Narrenvogt ist nichts ohne seine Getreuen.“
Gut 500 (männliche) Mitglieder hat die Bruderschaft,  das ist bei einer Einwohnerzahl von 2100 beeindruckend. Alle machen mit, von der Jugend bis zum Alter. Gerne erinnern sich die Spieler dabei an Josef Beck, „Küferle“ genannt. Er übernahm mit 87 Jahren noch die Rolle des „Redmanns“ (Verteidigers). Er gilt damit als Rekordhalter. Die Frauen wirken im Hintergrund, da aber kräftig, wie könnten sich die Männer sonst auf ihr Narrenspiel konzentrieren.
Das Grosselfinger Narrengericht gilt als das best erhaltene und dokumentierte Narrenspiel im deutschsprachigen Raum. Nicht umsonst wurde es in Unesco-Kulturerbe aufgenommen. Und so wie es in den Statuten steht, dürfen die Uniformen das „Venezianische Reich“ auf keinen Fall verlassen. Auf Umzügen auswärts wird man die Grosselfinger daher nie sehen.

Info Der Jahrtag am heutigen Donnerstag beginnt um 9.30 Uhr mit einem gemeinsamen Kirchgang, anschließend wird im alten Schulhaus zum Frühschoppen eingeladen.

2023 wird die Bruderschaft 400 Jahre alt

Der Überlieferung nach gehen die Ursprünge des Narrengerichts zurück bis ins 15. Jahrhundert. Die Pest hatte in Grosselfingen schrecklich gewütet. Um dem Volk wieder neuen Lebensmut zu geben, erteilten die Herren von Bubenhofen nach ihrer Rückkehr (sie hatten sich vor dem schwarzen Tod vorsichtshalber nach Italien geflüchtet) ihren Untertanen das Privileg, ein Narrengericht abzuhalten.
Vom Narrengericht wurde am 21. Februar 1623 eine Marienbruderschaft gegründet. Das 400. Jubiläum der Bruderschaft soll – nach dem Spiel im Jahr 2019 – 2023 groß gefeiert werden.
Seit dem Jahr 2015 gehört das Grosselfinger Narrengericht zum Unesco-Kulturerbe. Das Narrenspiel steht im deutschen Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UN-Bildungsinstitution.