Außergewöhnliche Verbindungen über die Ozeane hinweg hat Bietigheim-Bissingen bereits zwei: mit Kusatsu in Japan und Overland Park in Kansas/USA. Nun soll eine weitere hinzukommen. Die Stadt will mit Tupungato in Argentinien „anbandeln“, allerdings zunächst in Form einer Städtefreundschaft, nicht -partnerschaft. Der Gemeinderat soll in seiner nächsten Sitzung am kommenden Dienstag eine entsprechende Erklärung beschließen.
Eine Freundschaft sei im Gegensatz zu einer Partnerschaft weniger verbindlich, erklärt Anette Hochmuth, die Sprecherin der Stadt. Es sei nicht ungewöhnlich, dass bei Städteverbindungen am Anfang so verfahren werde. So hätten beispielsweise auch die Partnerschaften mit Overland Park oder Szekzard in Ungarn vor der offiziellen Besiegelung geraume Zeit Vorlauf gehabt. Auch die Tatsache, dass Tupungato weit entfernt ist (fast 12 000 Kilometer Luftlinie) spreche dafür, zunächst einmal freundschaftliche Verbindungen aufzunehmen und dann zu sehen, wie sich diese entwickelten.

Besuch Mitte Oktober

Wie berichtet geht die Initiative zur Aufnahme freundschaftlicher Kontakte mit der argentinischen Stadt auf den Besuch des argentinischen Botschafters Edgardo Malaroda in Bietigheim-Bissingen zurück, der anlässlich der Handball-WM der Frauen im Dezember 2017 hier war. Laut Stadtverwaltung hat dem Botschafter die Stadt Bietigheim-Bissingen gefallen, und er habe um das Interesse der Stadt  Tupungato an Beziehungen nach Deutschland gewusst.
Im Februar 2019 reisten dann Oberbürgermeister Jürgen Kessing und Sprecherin Anette Hochmuth zu  einem Kurzbesuch in die rund 32 000 Einwohner große Stadt am Fuß der Anden. Dabei wurde mit Bürgermeister Gustavo Soto eine Absichtserklärung zur Aufnahme freundschaftlicher Beziehungen unterzeichnet. Bereits Mitte Oktober ist ein Gegenbesuch des Bürgermeisters von Tupungato und eines für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Mitarbeiters an Enz und Metter geplant. Die Zustimmung des Bietigheim-Bissinger Gemeinderats vorausgesetzt, soll dann die Freundschaftserklärung besiegelt werden.
Wie der Gemeinderatsvorlage zu entnehmen ist, rechnet die Stadtverwaltung mit Ausgaben in Höhe von etwa 10 200 Euro für den Besuch des argentinischen Bürgermeisters und des Kommunikationsdirektors von Tupungato. Ein Antrag zur Förderung durch den Kleinprojektefonds „Kommunale Entwicklungspolitik“ des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sei aber gestellt worden. Bei einer Zusage könnten bis zu 90 Prozent der Kosten bezuschusst werden.
Weitere Ausgaben könnten in der Zukunft entstehen, wenn Austausche stattfinden. Diese sollen dann im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel abgewickelt werden, so die Vorlage. Verbindende Verpflichtungen gebe es aber nicht.
Die Stadt verspricht sich von der Freundschaft unter anderem einen Wissenstransfer in beide Richtungen. Die Kommunalverwaltungen könnten im Bereich der Wasserver- und -entsorgung, beim Ausbau erneuerbarer Energien, im Straßenbau und im Ausbau der schulischen Infrastruktur Erkenntnisse austauschen. In Tupungato hat im Gegensatz zu Bietigheim-Bissingen die Landwirtschaft eine entscheidende Bedeutung (siehe Infokasten). Die Wirtschaft ist vom Weinbau geprägt, wobei viele Weingüter auf den Tourismus ausgerichtet sind. Die Stadt gilt als Zentrum für Agrarindustrie, in der Obst und Gemüse verarbeitet werden. Weil sie im Anbau von Walnüssen eine herausragende Stellung einnimmt, wird sie auch als „Hauptstadt der Walnuss“ bezeichnet.
Durch das Kennenlernen der jeweiligen Verwaltungsstrukturen und Rahmenbedingungen entstehe auf beiden Seiten ein Erkenntnisgewinn, hofft man im Bietigheimer Rathaus. Das gelte auch in Bezug auf verschiedene Wege der Problemlösung, „sei es im Umgang mit Bürgeranliegen oder im Umgang mit schwierigen finanziellen, technischen und landschaftlichen Rahmenbedingungen“.

Naturidylle am Fuß der Anden

Die Stadt Tupungato mit 32 865 Einwohnern liegt im Westen der argentinischen Provinz Mendoza, rund 80 Kilometer von der gleichnamigen Provinzhauptstadt entfernt. In Mendoza gibt es auch einen Flughafen. Bis nach Buenos Aires sind es rund 1000 Kilometer.
Das Klima in der Landschaft am Fuß der Anden ist trocken, es gibt wenig Niederschläge. Doch die Flüsse aus den Bergen liefern Wasser.
Die Wirtschaft ist vom Weinanbau geprägt, es gibt zahlreiche Weingüter, die auch Übernachtungen anbieten. Weitere touristische Angebote sind Wanderungen in den Bergen, Fischen, Reiten oder Naturerlebnissportarten. Die Landwirtschaft, zu der auch die Verarbeitung von Obst und Gemüse gehört, ist der wichtigste wirtschaftliche Sektor. Tupungato gehört zu den einkommensstärksten Städten des Landes.
Gegründet wurde die Stadt im Jahr 1858. Der Name heißt in der Sprache der Ureinwohner „Aussichtspunkt der Sterne“. Namensgeber ist ein 6550 Meter hoher Vulkanberg in den Anden. um