Die Kunst liegt am Boden: in diesem Fall allerdings aus Platzgründen, denn zurzeit findet die Auswahl der diesjährigen Preisträger für den Grafikpreis „Linolschnitt heute“ in der Städtischen Galerie statt. Zum elften Mal wird der von der Stadt Bietigheim-Bissingen ausgelobte Wettbewerb durchgeführt. Der Wettbewerb hat sich mit den Jahren zu einer der wichtigsten und in dieser Form einzigartigen internationalen Grafikauszeichnung entwickelt. In dreijährigem Turnus mit Preisgeldern von insgesamt 10 000 Euro und Ankäufen für die Sammlung der Galerie fördert die Stadt zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, die sich für den Linolschnitt begeistern.
In diesem Jahr hatten 503 Bewerber ihre Arbeiten eingereicht. Sie kommen aus aller Welt: Ganz Europa, Südamerika, Asien und Australien sind vertreten. Daraus wurden an die 130 Originale ausgewählt, die nun dicht an dicht die Böden der Ausstellungsräume bedecken, in allen Größen und Farben und in einer fast unüberschaubaren Vielfalt von Motiven. Von klassischer Technik bis hin zu Collagen mit Stoff oder Holz, in einfachen traditionellen Formen oder diffizil ausgearbeitet mit unzähligen Details.
Grafiken sind anonymisiert
Alle Originale sind nur mit Nummern versehen, sodass die fünfköpfige Jury keine Künstlernamen kennt. „Es gibt keine vorgegebenen Formate oder Themen“, erklärt die Leiterin der Städtischen Galerie, Dr. Isabell Schenk-Weininger. Als Jurymitglied ginge es ihr darum, wie die Technik des Linolschnitts eingesetzt werde, und wie kreativ die Künstler mit dem Thema umgehen. Neben den konventionellen Darstellungen überraschen auch Werke, die andere Materialien miteinander kombinieren, zum Beispiel Linoldruck auf einem dreidimensionalen Holzuntergrund. „So etwas ist natürlich auch interessant für die Ausstellung“, so Dr. Schenk-Weininger.
Professor Dr. Wulf Herzogenrath, Direktor der Sektion Bildende Kunst an der Akademie der Künste in Berlin, ist das erste Mal in der Jury. Es sei sehr interessant für ihn, welche Vielzahl an Motiven aus nur einem Medium entstehe. Bei seinem ersten Durchgang, dem dann ein Gespräch mit allen Jurymitgliedern folgt, die eine erste Vorentscheidung treffen, entscheidet der Professor nach einer konkreten Fragestellung: „Gibt es eine künstlerische Notwendigkeit, sich das Werk anzusehen und kann ich die Aussage verstehen?“
„Stilistische Vielfalt“
Alexander Johannes Kraut, erster Preisträger des Wettbewerbs 2001, geht es um das „unmittelbare Gefühl“, das beim Ansehen ausgelöst wird. Auch zum ersten Mal dabei ist Dr. Barbara Strieder, Leiterin der Grafischen Sammlung, Stiftung Museum Schloss Moyland. Sie begeistert die „stilistische Vielfalt, das bekommt man in dieser Bandbreite sonst so nicht zu sehen.“ Es sei erst einmal ein „intuitives Urteil“, dass sie im ersten Durchgang trifft. Spannend findet sie den Austausch mit den anderen Jurymitgliedern. „Das miteinander diskutieren macht man ja sonst nicht so, das wird interessant zu sehen, wie groß die Übereinstimmung untereinander ist.“ Für sie ist die Juryarbeit auch ein Prozess, das eigene Auge und die eigene Urteilskraft nochmals zu schulen. Kulturamtsleiter Stefan Benning ist zum dritten Mal in der Jury. „Man glaubt immer nicht, dass das alles durch Linolschnitt entstanden ist, das ist wirklich faszinierend.“ Ihn interessiere, welche Idee hinter den Motiven stecke. „Da gibt es ganz unterschiedliche Lösungen.“
Den ganzen Tag nimmt sich die Jury die Zeit, im Auswahlverfahren die drei Preisträger zu bestimmen und zu entscheiden, welche Ankäufe für die Sammlung der Städtischen Galerie getätigt werden. Die offizielle Preisverleihung findet mit der Eröffnung der Ausstellung am 19. Juli statt, die Ausstellung selbst geht vom 20. Juli bis 6. Oktober.