Es war im November 2016, dass Metzgermeister Wolfgang Herbst zum letzten Mal selbst ein Tier geschlachtet hat. Vielleicht hat er das Datum deshalb so genau in Erinnerung, weil ihm seitdem ein Stück seines Handwerksberufes abhanden gekommen ist. „Das fehlt mir“, räumt er offen ein. Dabei geht es dem Obermeister der Ludwigsburger Fleischerinnung wie den meisten seiner Berufskollegen im Landkreis Ludwigsburg: Von den 34 Betrieben der Innung sind es „keine zehn mehr“, die in den Betrieben noch selber schlachten. Und es werden weniger.
Die Gründe für diese Entwicklung sind schnell genannt. Es gibt mittlerweile schlicht zu wenig Bauern, die eigene Rinder oder Schweine halten. In Besigheim, wo Wolfgang Herbst zusammen mit seinem Bruder Ulrich die einzige Metzgerei der Stadt führt, kennt er nur noch einen Betrieb mit Rinderhaltung, eine Schweinezucht gibt es gar keine mehr. Im dicht besiedelten mittleren Neckarraum werde es eng für Zuchtbetriebe, die mehrere Tausend Schweine halten müssen, um rentabel zu sein, sagt Herbst.
Hohe bürokratische Hürden sind ein weiterer Grund, dass Metzger ihr Fleisch lieber einkaufen als selbst Tiere zu schlachten. „Es wird so teuer, dass es sich nur noch die Schlachtindustrie leisten kann“, so Herbst. Um das Tierwohl garantieren zu können und den Schlachtvorgang zu dokumentieren, müssten beispielsweise neue Betäubungszangen angeschafft werden. Bei einem Preis zwischen 5000 und 6000 Euro pro Zange zahle sich das für eine kleine Metzgerei nicht aus.
Für die Metzgerbetriebe der Innung ist es mittlerweile insgesamt schwierig, Fleisch aus dem direkten Umfeld zu beziehen. „In der Region gibt es keine Schlachthöfe mehr“, klagt Herbst, der nächstgelegene ist in Gärtringen. Er selbst bezieht sein Fleisch vom genossenschaftlichen Schlachthof in Göppingen.
Welch ein Widerspruch: „Früher“, sagt Herbst, „haben wir die Tiere aus einem Umkreis von fünf Kilometern in unseren Betrieb geholt.“ Die Wege sind heute deutlich weiter, die Herkunft wird anonymer. Mittels Vorschriften „wird die Transportzeit auf weniger als acht Stunden festgelegt.“ Die kleinteilige Struktur sei längst zerstört. Auf der anderen Seite seien industrielle Betriebe entstanden, wie die des Schalke-Präsidenten Clemens Tönnies, in denen täglich mehr als 20 000 Schweine geschlachtet werden.
Sorgfältiger Umgang
Dabei garantiert die Arbeit von Metzgern im Handwerksbetrieb den sorgfältigen Umgang mit Tieren, auch bei der Schlachtung, meint er. Beim Schlachten gilt es für ihn, das Tier „so leicht, so schnell und so schmerzlos wie nur möglich zu töten“. Ein Metzger werde „den Teufel tun“ ein Tier zu plagen. Schon aus Eigennutz. Denn Stress bei der Schlachtung wirkt sich unmittelbar auf die Qualität des Fleisches aus. Der Blutzuckerspiegel sinke, das Fleisch übersäuere. „Das sind die Schnitzel, die in der Pfanne immer kleiner werden“, sagt der Innungsobermeister. Das Tier darf nicht leiden. „Es gibt nur wenige Menschen, denen das nichts ausmacht.“
Kaum noch Lehrlinge
Vom Schlachten selbst hat sich sein Beruf jedoch längst entfernt, nicht nur wegen der praktischen Probleme oder der vielen Vorschriften. Die „Ernährungskompetenz“, die Zubereitung der Lebensmittel stehen heute viel stärker im Vordergrund des Handwerks, eines Berufes allerdings, der kaum noch Nachwuchs findet. Das liegt weder am Mangel an Verdienst noch am wachsenden Trend zu vegetarischer oder veganer Ernährung, meint Herbst. Das Handwerk insgesamt habe ein Nachwuchsproblem. Die anderen Gewerke „finden auch keine Lehrlinge mehr.“