Nun soll „Begleitmusik“ ertönen. Damit dürfte der Chef des Beamtenbundes dbb Ulrich Silberbach allerdings weniger lustige Tanzmusik meinen, sondern Arbeitsaktionen. Die erste Taifverhandlung für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen ist nach dreistündigen Beratungen ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Am 22. Februar geht es weiter. Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten. Die Laufzeit soll 12 Monate betragen.
Knackpunkt am ersten Verhandlungstag war das Thema Inflation. „Da sind wir dann auch deutlich auseinander, weil die Arbeitgeber die Notwendigkeit, die gestiegenen Preise auszugleichen nicht anerkennen“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke. Hier gebe es einen „absoluten Dissens“.
15 Tage am Stück arbeiten
Silvia Bausinger versteht das nicht. Die stellvertretende Betriebsrätin am Zollern Alb Klinikum arbeitet auf einer Intensivstation und berichtet von immer weniger real zur Verfügung stehendem Geld bei gleichzeitig höheren Stress durch häufigen Patientenwechsel, Einspringen für Mitarbeiter an freien Tagen und steigender psychischen und physischen Belastung. „Es werden immer mehr Pflegekräfte abgebaut und durch die niedrigen Bezahlung kommen zu wenige nach. Dabei gehen die geburtenstarken Jahrgänge erst noch in Rente“, sagt Bausinger. „Wir brauchen eine attraktive Bezahlung.“ Die geforderte Verlängerung der Altersteilzeit wäre zudem wichtig: „Die ist für Menschen, die auch mal 15 Tage am Stück arbeiten, ein Rettungsanker.“
Der Beruf habe sich gewandelt. Beatmungsmaschinen etwa hätten sich von „besseren Luftpumpen in komplizierte Apparate“ gewandelt, sagt das Verdi-Mitglied. Pflegekräfte seien auch keine Schüsselleerer, wie es früher hieß. Ohne Computer laufe nichts mehr im Job. Darin sind sich Gewerkschaften und kommunalen Arbeitgeber einig: Beschäftigte hätten durch immer neue Reformen durch den Bundesgesetzgeber enorm an Aufgaben dazubekommen. Silberbach mahnte deshalb eine bessere Finanzausstattung der Kommunen an.
Harte soziale Schieflage
Für Werneke ist wegen der „harten sozialen Schieflage“ für Menschen mit geringem Einkommen der Mindestbeitrag die „wichtigste Forderung“. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände VKA sieht dies anders. Ein „überproportionale Stärkung der unteren Berufsgruppen“ würde es erschweren, Leistungsträger zu finden, sagte VKA-Präsidentin Karin Welge. Die Verdi-Behauptung von Reallohnverlusten wäre falsch. „In den letzten zehn Jahren bilden sich immer noch Reallohngewinne ab für die Beschäftigten.“
Josef Kleiber dagegen hält die Verdi-Forderung von 10,5 Prozent schlicht für „nicht finanzierbar“. Die Stadt schaffe 20 Stellen, die ebenfalls geschultert werden müssten. In den Haushalt wurden drei Prozent mehr für Personal eingestellt, sagt der Hauptamtsleiter aus Albstadt. Die Verdi-Forderung würde weitere 2,8 Millionen Euro kosten. Geld, das Einsparungen zunichtemachen könnte. „Ich hoffe auch, dass es Bewegung bei der Laufzeit gibt. In anderen Branche lag diese zum Teil bei zwei Jahren.“ Komme es zu Streiks, sei Albstadt bei Kindertageseinrichtungen „immer dicke dabei“. Bei der bisher letzten Tarifrunde für Bund und Kommunen waren 2020 bundesweit unter anderem Kliniken, Kitas, Nahverkehr oder Sparkassen von Ausständen und Protestaktionen betroffen.
Jürgen Luppold, Oberbürgermeister-Referent aus Balingen, befürchtet bei einem hohen Tarifabschluss mögliche Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen. Im Haushalt 2023 werde von einer Steigerung von 2,8 Prozent ausgegangen, „was natürlich weit unter den Forderungen der Gewerkschaft liegt“. Laut VKA würden die Kosten für das geforderte Lohnplus bei den kommunalen Arbeitgebern mit rund 15,4 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Vielen Kommunen gehe es aber finanziell schlecht. Corona-Pandemie, Energiekrise und die hohen Flüchtlingszahlen kosten Milliarden - die anderswo eingespart werden müssen.
Wernecke dagegen sagt: „Die öffentlichen Haushalte sind immer klamm, wenn die Tarifverhandlungen beginnen. Tatsache ist, die Einnahmen steigen derzeit, sowohl bei Bund als auch Kommunen.“ Verdi-Bezirksgeschäftsführer Fils-Neckar-Alb Benjamin Stein möchte, dass sich Arbeitgeber „endlich bewegen“: „Seit Herbst wissen sie von unseren Forderungen. Wenn sie sich nicht bewegen, müssen wir uns auf die Straße bewegen.“
1974 gab es ähnlich hohe Forderung
Eine so hohe Forderung der Gewerkschaft Verdi mit 10,5 Prozent hat es schon lange nicht mehr gegeben. 1974 forderte die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Tansport und Verkehr (ÖTV) 15 Prozent. Wie heute hatte es eine Energiekrise und hohe Inflation gegeben.
Frank Werneke ist seit 2018 Verdi-Vorsitzender und will im September wiedergewählt werden. Ein gutes Ergebnis würde dieser Wiederwahl zumindest nicht schaden.