Not kennt keine Uhrzeit und kein Wochenende. Sie hält sich nicht an Fristen und ist nicht auf einen bestimmten Bereich beschränkt. Niemand weiß das besser als Peter Blechmann. Als Vorsitzender des Fördervereins Balinger Tafel war er sich seit jeher bewusst: „Es gibt nicht nur einen Bedarf an Lebensmitteln.“ Menschen, die in Not sind, benötigen unter anderem auch Möbel und Haushaltsgegenstände.
Der Weg vom Wissen zum Machen war indes nicht so einfach. „Ein Stück weit“, blickt Peter Blechmann zurück, „konnten wir in dieser Hinsicht vermitteln.“ Gleichwohl reifte die Erkenntnis: „Wir brauchen dringend Räumlichkeiten, um die Möbel lagern zu können.“ Auf der Suche nach Unterstützung habe man im Jahr 2017 jedoch noch oft den Satz gehört: ein Sozialkaufhaus? Brauchen wir nicht!

Räumlichkeiten in Frommern

Dennoch gab es auch Helfer, die von Anfang an von der Idee überzeugt waren. Einer der ersten sei Holger Klein von der Stiftung Lebenshilfe Zollernalb gewesen. „Er stellte uns die Erlöse aus der Weihnachtsengel-Aktion zur Verfügung“, erzählt Blechmann; ein schöner Anfang, dem eine weitere positive Nachricht folgte. Das Gespräch mit Vertretern der „Stiftung Mensch“ der Sparkasse Zollernalb verlief positiv, das Projekt wurde mit einer großzügigen Summe gefördert. Und auch in Sachen Räumlichkeiten bahnte sich eine Lösung an. Bei Frau Erhard von der Firma Möbel Erhard in Frommern stieß man „auf offene Ohren.“ Damit war der Weg frei für die Gründung des Vereins Sozialkaufhaus Zollernalb, das unter dem Namen Domiziel heute überregional bekannt ist.
„Mit 100 Quadratmetern haben wir damals im Lager angefangen“, erinnert sich der Vereinsgründer, der gemeinsam mit Nathalie Hahn das Vorstands-Duo bildet. Nach dem Brand eines Bauernhofs im November 2017 in Leidringen seien dann erstmals Möbel an Menschen in Not abgegeben worden. „Und ab diesem Zeitpunkt stand das Telefon nicht mehr still.“ Es gingen zahlreiche Anrufe von Bürgern ein, die gut erhaltene Möbelstücke und Gebrauchsgegenstände für soziale Zwecke zur Verfügung stellen wollten.

1800 Quadratmeter Fläche

Schon bald reichte der Platz im Lager nicht mehr aus und aus 100 Quadratmetern wurden 300. Im Januar 2018 fand schließlich der erste richtige Verkauf statt. „Wir haben sehr schnell gemerkt, dass der Bedarf riesig ist“, erzählt Blechmann. Heute umfasst die Lagerfläche rund 1800 Quadratmeter und auch der Fuhrpark ist gewachsen. Haben Peter Blechmann und Nathalie Hahn anfänglich noch Möbel mit ihren Privatautos transportiert, stehen dafür nun sogar Anhänger bereit.
Die Vorsitzenden freuen sich ebenfalls über ein engagiertes Mitarbeiter-Team. Neben vier Festangestellten und zusätzlichen Teilzeitkräften engagieren sich aktuell 25 Ehrenamtliche im Verkauf und weitere als Fahrer für das Domiziel. Unterstützer sind jederzeit herzlich willkommen, denn jede helfende Hand wird dringend gebraucht.
Wie die Waren den Weg vom Anbieter ins Sozialkaufhaus finden, ist indes klar geregelt. Wer gut erhaltene Möbel oder Gebrauchsgegenstände abzugeben hat, kann telefonisch oder per E-Mail nachfragen, ob der entsprechende Artikel benötigt wird. Wenn möglich, schickt der Anbieter auch Fotos mit.

Gesucht: Gut erhaltene Artikel

Welche Voraussetzungen sollten die gespendeten Gegenstände erfüllen? „Sie sollten noch gut nutzbar, sauber und hygienisch einwandfrei sein“, skizziert Peter Blechmann die Anforderungen. Kleiderschränke sollten tendenziell eher kleiner sein, da die Kunden in der Regel über keine große Wohnfläche verfügen. Artikel wie Bettwäsche oder Matratzen werden meistens zugekauft und günstig weitergegeben. „Wir sind ein Sozialkaufhaus und müssen keine Gewinne erwirtschaften“, stellt der Vereinsgründer klar.
Der Kundenkreis ist mit der Zeit stetig größer geworden. In den ersten Jahren nach der Öffnung waren es unter anderem Geflüchtete aus Syrien, die zum Zeitpunkt, an dem sie eine Wohnung bezogen haben, mit dem Erstausstattungsgutschein vom Jobcenter das Domiziel besuchten. „Viele von ihnen sind uns als Kunden erhalten geblieben“, so Nathalie Hahn.

Bedarf wird immer größer

Waren die Jahre 2018/19 sogenannte „Findungsjahre“, war die dreimonatige Corona-Zwangspause 2020 ein Rückschlag, der die Not der bedürftigen Menschen noch vergrößerte. Der absolute Ausnahmezustand trat dann zwei Jahre später ein. „Seit März 2022 ist bei uns nichts mehr normal“, schildert Blechmann. Mit Beginn des Ukrainekriegs erlebte das Sozialkaufhaus einen Ansturm, der für das Team kaum zu bewältigen war. Anfang 2023 habe sich die Lage zwar einigermaßen entspannt, das Arbeitspensum sei allerdings weiterhin sehr hoch. Denn Inflation und gestiegene Heizkosten sorgten für steigende Kundenzahlen.
Dass das Domiziel-Team nach Ostern ein „Opfer von Reifenstechern“ wurde, habe nicht nur Schäden und Kosten verursacht, sondern alle emotional sehr getroffen. „Es bleibt nach wie vor die Frage: Wer macht so etwas?“, sagt Nathalie Hahn.
Zusätzlich zum bestehenden Angebot wurde 2022 die „Fahrrad-Lernwerkstatt“ gegründet, in der technisch geprüfte Räder günstig angeboten werden. Außerdem ist eine Elektrowerkstatt im Entstehen, in der Ehrenamtliche die gespendeten Geräte prüfen.

Engagement als „Kümmerer“

Ein anderer Bereich ist im Laufe der Zeit immer wichtiger geworden: das Engagement als „Kümmerer.“ Denn materielle Not ist nur die eine Seite. Nicht selten werden Peter Blechmann und Nathalie Hahn auch zu Vertrauten, denen die Menschen von ihren Sorgen berichten. Und damit lassen sie sie nicht allein. „Bedürftige finden bei uns stets ein offenes Ohr“, betont Blechmann. „Wir helfen, vermitteln, begleiten“; ausdrücklich nicht, um sich in die Arbeit der Ämter einzumischen, mit denen der Verein eine gute Zusammenarbeit pflege. Aber Not kenne nun mal keine Öffnungszeiten. Und auch kein Wochenende.

Jede helfende Hand und jeder Euro zählen

Im Domiziel dürfen Menschen aus dem Zollernalbkreis mit Tafel-Ausweis oder entsprechender Berechtigung einkaufen.
Die Möbel werden den Kunden gegen eine kleine Pauschale innerhalb des Zollernalbkreises frei Bordsteinkante geliefert.
Gesucht werden aktuell gut erhaltene kleinere Schränke, Kommoden, Betten, Pfannen, Töpfe und Elektrokleingeräte.
Freuen würde sich das Team über weitere Ehrenamtliche sowie über Geldspenden, die in die Arbeit als „Kümmerer“ investiert werden.
Geöffnet ist das Sozialkaufhaus (Blumentalstraße 6, Frommern) von April bis Oktober dienstags von 10 bis 16 unddonnerstags von 14 bis 18 Uhr. Von November bis März dienstags von 11 bis 16 Uhr und donnerstags von 14 bis 17 Uhr. Weitere Informationen: www.domiziel-zollernalb.de.