Gerade erst haben beim größten Arbeitgeber des Landeskreises 24 junge Menschen ihre Ausbildung beendet, darunter Mechatroniker, Industriemechaniker und Kombistudenten. Stolz lächelten sie für das Abschlussfoto mit ihren Zeugnissen in die Kamera. 160 Auszubildende, duale Studenten und Praktikanten sind derzeit weiter am Stammsitz von Groz-Beckert in Albstadt tätig, davon absolvieren allein 111 eine klassische duale Berufsausbildung.
Das klingt nach einer ganzen Menge junger Leute, die, wenn alles normal läuft, eine gute, erfolgversprechende berufliche Zukunft vor sich haben. Doch wie sieht es im Zollernalbkreis generell aus, wie ist die Lage am Ausbildungsmarkt? „Die Ausbildungssituation für junge Menschen hier ist fantastisch, das ist schon seit Jahren so“, erklärt Marcel Scheibe, Teamleiter der Berufsberatung vor dem Erwerbsleben bei der Agentur für Arbeit Balingen. Es gebe viel mehr Stellen als Bewerber.
Dies lässt sich an den Statistiken der Arbeitsagentur nachvollziehen. Ende Februar des aktuellen Jahres gab es 663 Bewerberinnen und Bewerber, ein bisschen weniger als in den Vorjahren. Darunter waren fast 400 männlich. 82 Prozent davon waren jünger als 20 Jahre, zwei Prozent älter als 25. Ein Viertel mit Hauptschulabschluss, fast 60 Prozent mit Realschulabschluss. Zwei Drittel davon waren im Berichtsjahr von der Schule abgegangen. Den 663 Bewerbern gegenüber standen 1466 Ausbildungsstellen, mehr als in den Vorjahren.
Der Unterschied zwischen Angebot und Nachfrage habe ganz unterschiedliche Gründe, erklärt Scheibe. So gingen einige starke Jahrgänge inzwischen in Rente, viel weniger junge Menschen kämen nach. Und: Der Trend zu weiterführenden Schulen sei ungebrochen. „Die Attraktivität von Ausbildungen hat in den vergangenen Jahren gelitten. Es  ist schwierig, die jungen Leute davon zu überzeugen, dass beispielsweise Altenpfleger ein schöner Beruf ist, besser als noch vor 20 Jahren.“ In den Vorstellungen vieler Eltern steckten noch alte Berufsbilder, „und gerade die Eltern spielen eine entscheidende Rolle bei der Berufswahl ihrer Kinder“.
Derzeit bestehe auch das Problem fehlender Praktika. „Zwei Jahren lang war wegen Corona kaum ein Praktikum möglich, darunter leiden derzeit alle Beteiligten“, erklärt Scheibe. Denn: „Praktika sind der Schlüssel zur Berufsfindung.“ An den Schulen werde viel Lernstoff aus Corona-Zeiten nachgeholt, „da wird dann auch eher am Fach Berufsorientierung oder Zusatzangeboten gespart“.
Es bleiben also jedes Jahr Ausbildungsstellen unbesetzt. Es bleiben aber auch jährlich 30 bis 70 Jugendliche „übrig“, die keine Stelle finden. „Die hatten alle Angebote für Ausbildungen, aber vielleicht war der Wunschberuf nicht gleich möglich“, erklärt Scheibe. Oder schlechte Noten oder soziale Probleme sorgten für Absagen. Sie bleiben drei bis vier Jahre in der Kartei der Arbeitsagentur. „Gerade bei Schwächeren sind wir hochmotiviert, zu helfen und einen Weg zu finden“, sagt Scheibe. Manchmal sei aber einfach nicht der richtige Zeitpunkt für den Anfang einer Berufslaufbahn: „Beispielsweise bei Lernschwächen oder einer Drogenproblematik müssen hin und wieder zuerst andere Wege eingeschlagen werden.“
Bei Groz-Beckert sind alle Ausbildungsstellen besetzt. Aber: „Es ist definitiv ein Rücklauf an Bewerbungen zu verzeichnen und die vollständige Besetzung dauert mittlerweile länger als in der Vergangenheit“, erklärt Pressesprecherin Birte Kleefisch auf Anfrage. Die jüngsten Erfahrungen zeigten, dass es sich lohne, auch explizit Schüler mit mittelmäßigen Zeugnissen zur Bewerbung zu ermutigen. „Diese trauen sich teilweise nicht, sich bei großen Firmen zu bewerben. Das ist schade, denn auch unter ihnen befinden sich tolle Bewerber.“ Es gehe beim Bewerbungsprozess ja schließlich nicht darum, die besten Schüler ausfindig zu machen, sondern darum, die geeignetsten Kandidaten zu finden. „Das sind nicht unbedingt immer nur die Einserkandidaten“, betont sie.
Doch wie steht es um die Qualität der Bewerberinnen und Bewerber? Scheibe erzählt von Klassen, in denen 30 bis 40 Prozent der Jugendlichen „schulisch eher schwach“ seien. Und auch die psychische Belastbarkeit habe unter Corona gelitten. „Das macht die Gesamtlage nicht einfach.“

Qualität stimmt bislang

Bei Groz-Beckert ist man allerdings zufrieden. „Die Qualität der Bewerber entspricht bislang unserem Bedarf. Ausnahmen gibt es natürlich immer“, sagt Kleefisch. „Wir suchen nicht ausschließlich Bestnoten oder nur Abiturienten, sondern auch nach Kandidaten aus dem moderaten Notenumfeld – einfach nach jungen Menschen mit der richtigen Einstellung und die zu uns passen.“ Vor allem im Produktionsumfeld sei es wichtig, bestenfalls Azubis zu gewinnen, die sich vorstellen können, später mehrere Jahre in ihrem Übernahmejob zu arbeiten. „Das liegt daran, dass in unserem Produktionsumfeld spezifisches Know-how unabdingbar ist.“

Die beliebtesten Ausbildungsberufe

Die meisten Bewerberinnen und Bewerber gab es im Zollernalbkreis im Bereich Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung (236), gefolgt von Kaufmännischen Dienstleistungen, Handel, Vertrieb, Tourismus (111) und Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht, Verwaltung (105). Angeboten waren in den genannten Bereichen deutlich mehr Ausbildungsstellen, nämlich 461, 301 und 248. Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage war vor allem im Bereich Bau, Architektur, Vermessung, Gebäudetechnik – hier standen nur 40 Bewerber vor einer Auswahl von 225 Stellen. Die Top-10-Berufe der begehrtesten Berufe bei den Bewerbern beginnt auf Platz 1 mit Industriemechaniker, es folgen KFZ-Mechatroniker, Industriekaufmann/-frau, Verkäufer, Medizinische Fachangestellte, Mechatrokiner, Kaufmann im Einzelhandel, Kauffrau Büromanagement und Automobilkaufmann. Industriemechaniker steht auch an erster Stelle bei den angebotenen Berufsausbildungsstellen, in dieser Aufzählung sind allerdings auch Bankkaufmann, Anlagenmechaniker Sanitär-/Heizung und Zimmerer zu finden, die nicht zu den beliebtesten Ausbildungsberufen aus Sicht der Bewerberinnen und Bewerber gehören.