Gott grüß‘ die Kunst – Gott grüß‘ sie.“ Ganz so gottesfürchtig mit dem Gruß der mittelalterlichen Druckergilde wurde man am vergangenen Mittwoch in der Bitzer Steige in Ebingen nicht empfangen. Am Tag der Druckkunst, genau diesen Mittwoch, öffnete ein sogenannter „Jünger der schwarzen Kunst“, Radierkünstler Michael Papenhoff, sein Atelier. Statt christlichem Gruß zum Empfang hieß es schlicht „herzlich willkommen, bitte geradeaus, dann die Treppen runter, da ist die Werkstatt“.
In Wirklichkeit sind es zwei. Michael Papenhoff teilt sich das hohe Souterrain-Atelier mit seiner Frau, die hier für sich eine Goldschmiede eingerichtet hat. Fein säuberlich durch Glastüren getrennt, versteht sich. Beides neben dem Kunst- auch ein Rückzugsort, ein Raum der Erkenntnis, wie Papenhoff erklärt. Mit Tischen, Druckerpressen, Papieren, deckenhohen Regalen möbliert, zeugt er von größter ungebrochener Kreativität.
Bundesweiter Ehrentag
Bei bundesweit über 300 Veranstaltungen des vom Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) initiierten Aktionstages denkt man, da ist was los in der Grafikzunft. Ein Blick auf die interaktive Landkarte im Netz zeigt etwas anderes. Michael Papenhoff ist mit seiner Veranstaltung an drei Tagen diese Woche ein Leuchtturm der Kunst auf einem öden weißen Flecken in der Grafik-Landschaft zwischen Tübingen und Bodensee hier und Gengenbach und Ulm dort.
Mehr Anerkennung für die Kunst
Aber Michael Papenhoff ist zufrieden mit der Resonanz des Publikums, das am vergangenen Wochenende und am Mittwoch ihn und seine Kunst besuchte. Letzten Sonntag waren es um die 30 Personen, schätzt er. An dem normalen Werktag waren es immer noch ein starkes Dutzend Kunstinteressierte, die die Werkstatt schnell füllten. Er wünschte sich, ganz nebenbei, eine ähnliche Anerkennung im öffentlichen Raum. Diese bleibt beschränkt, es gibt zu wenige Ausstellungsmöglichkeiten, bemängelt er klar und deutlich. „Aber ich will nicht schon wieder politisch werden“, zügelt er schnell seine Unzufriedenheit mit einem Augenzwinkern.
Ausgangspunkt des Gedenktages ist die Aufnahme der traditionellen Drucktechniken in das bundesweite Verzeichnis der deutschen UNESCO-Kommission. Sie ist seit 2018 Teil des immateriellen Kulturerbes Deutschlands. Gedruckter Text und Bild-Medien stehen seit 500 Jahren für einen bedeutenden Teil europäischer Kultur. In Deutschland ist sie untrennbar mit Johannes Gutenberg als Erfinder des Buchdrucks und Albrecht Dürer als Künstler verbunden.
Geduld und Bescheidenheit bei der Druckkunst
Michael Papenhoff veranstaltet nun weniger einen Workshop mit einer Einführung in die aufwändige und teure Drucktechnik. „Sie lehrt einen Geduld und Bescheidenheit.“ Er führt vielmehr ein in seine künstlerische Entwicklung und die ästhetischen Fragestellungen seiner Disziplin. Die Leidenschaft für die schwarze Kunst packte ihn bereits mit 15 Jahren. So begann die Auseinandersetzung mit der richtigen Technik.
Pressen, Farbe (natürlich schwarz), Chemie – allein die Begrifflichkeit der Druckkunst scheint entweder dem Chemiebaukasten für Fortgeschrittene oder dem Technikwörterbuch für angehende Ingenieure zu entstammen. Es geht um Säuren, Asphaltlack, Kolophonium und anderes mehr. Nicht zuletzt um die Experimentierfreudigkeit und Erfahrungen mit diesem unerschöpflichen Kochbuch an chemischen Zutaten.
Verschiedene Techniken
Entsprechend vielfältig sind die präsentierten Techniken. Von den Blättern einer Strichätzung geht es zur Kaltnadelradierung, von der Aquatinta zur Verni mou-Technik. Motivisch hat Papenhoff seine Arbeiten im Lauf der Jahre auf die Urelemente der Zeichnung reduziert, die Linie und den Punkt. Keine Landschaften mehr, keine Akte, keine Gegenständlichkeit. Er gibt zu: „Es interessiert mich vor allem die Technik und die Präzision. Ob das Kunst ist, weiß ich nicht.“
Er präsentiert Zyklen aus verschiedenen Schaffensphasen, in der Regel vier Blätter, die zusammengehören. Es geht um die Senkrechte und die Waagerechte, es geht um helle und dunkle Flächen, dort, wo die Säure einmal kürzer (hell) oder einmal länger (dunkel) ihre Wirkung entfaltet. Und es geht um Punkte, staubfein oder zu Wolken geballt, dann wieder als Nebelfeld auf edelstem Büttenpapier.
Inspiration für Kunst von Kunst
Seine Inspiration erhält er in der wachen Auseinandersetzung mit der Kunst im Museum, „Kunst gucken“ ist wichtig, sagt er. Nicht nur das, was gefällt, regt an. Vielmehr auch das, was ihn ärgert und nachdenklich macht. Er will sich immer wieder auf Neues einlassen.
Bei allem zeitlichen Abstand: Die historische Druckgrafik ist kein museales Relikt, um das man sich kümmern oder das man aus (museums-)pädagogischen Gründen aufpäppeln sollte. Im Gegenteil. Sie zeigt sich als technische und künstlerische Vorgeschichte der digitalen Revolution, in der bereits „die Koordinaten und Bausätze der modernen Kultur angelegt sind“, so ein gelehrter Drucker. So gesehen ist die Distanz von Gutenberg zu Google kein halbes Jahrtausend, sondern eine von gestern zu heute.
Traditionelle Drucktechniken Teil des Immateriellen Kulturerbes Deutschlands
Die traditionellen Drucktechniken stehen in einer Reihe mit 144 Kulturformen und sogenannten Modell-Programmen des Immateriellen Kulturerbes Deutschlands. Die 128 Kulturformen zählen unter anderem von A wie Altersgenossenfeste in Schwäbisch Gmünd über das Sternsingen bis Z wie Zubereitung und Anwendung von traditionellem Kalkmörtel. Der Jahrestag erinnert seit 2019 an diese nun über 500 Jahre währende Errungenschaft der Druckkunst.
Zu den 16 Modellprogrammen des Immateriellen Kulturerbes zählen unter anderem die Amateurmusikpflege in Baden-Württemberg oder ein „Sail Training auf Traditionssegelschiffen“. Sie sollen eine nachhaltige Praxis zur Pflege, Entwicklung und Weitergabe des Immateriellen Kulturerbes fördern und zur Nachahmung anregen. hga