Am Eingang der Praxis von Iris Eichwald in Tailfingen stehen Pantoffeln in verschiedenen Größen. Paare, die hier Stunden nehmen, um ihre Probleme anzugehen, sollen das in möglichst angenehmer Atmosphäre tun: den Alltag vor der Tür lassen, Hausschuhe an, durchatmen. Die Themen, die hier auf den Tisch kommen, sind unangenehm genug. Es geht um Vorwürfe, Affären, Misstrauen. Es sind Emotionen im Spiel: Eifersucht, Enttäuschung.
Eichwald sitzt im Gesprächszimmer, vor ihr stehen zwei Stühle, ein blauer und ein gelber, rund 30 Zentimeter voneinander entfernt. Der Platz für ihre Klienten. Diese Stühle stehen nicht immer so nah beieinander, erzählt die Paartherapeutin. Häufig setzen sich Mann und Frau in unterschiedliche Ecken des Raumes. Nun ist die 52-Jährige gefragt.

Sind die Beziehungen der Paare, die zu Ihnen kommen, überhaupt noch zu retten, Frau Eichwald?

Iris Eichwald: Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Es gibt Paare, die mit der Motivation kommen, um wieder zueinander zu finden. Oft gelingt es den Paaren. Und es kann passieren, dass sich während der Therapie herauskristallisiert: Es ist besser, sich zu trennen. Manche Klienten kommen bereits mit dieser Intention zu mir, oft haben sie Kinder. Dann geht es darum, Konflikte zu entschärfen und ein Ende zu finden, mit dem beide Seiten leben können – insbesondere zum Wohle der Kinder.

Klingt nicht gerade leicht.

In der Tat (lacht).

Haben Sie eine typische Klienten-Klientel?

Nein, zu mir kommen Paare jeden Alters. Ich biete darüber hinaus Familientherapie an. Und es kommen Einzelklienten, die ohne Partner über ihre Probleme sprechen möchten.

Was sind die häufigsten Gesprächsthemen?

Oftmals geht es um Vorwürfe, Affären, die Kinder oder mangelhafte Kommunikation.

Was raten Sie Ihren Klienten?

Wenn es um Vorwürfe geht, versuchen wir gemeinsam die dahinterstehenden individuellen Bedürfnisse auszumachen und was es aus Sicht der Klienten braucht, damit die Situation besser wird. Eigenverantwortung zu übernehmen ist wichtig, Vorwürfe schützen davor.

Schlagen Sie sich in Streitthemen auch mal auf eine Seite?

Nein. Meine Rolle in der Paartherapie – noch lieber verwende ich das Wort Paarberatung – ist nicht mit der eines Richters vergleichbar. Ich sage nicht, was vermeintlich richtig oder falsch ist. Ich muss allparteilich bleiben und vermitteln. Somit erinnert meine Rolle eher an die eines Moderators. Am Ende steht immer das Ziel, eine Lösung zu finden.

Was ist, wenn es zu eskalieren droht?

Ich habe in meinen Stunden klare Regeln. Man kann immer Stopp sagen, sich eine Auszeit nehmen, auch Emotionen sind natürlich erlaubt. Es wird geweint und es wird auch gelacht. Auch Wut zeigen, ist in einem gewissen Rahmen erlaubt. Wenn es aus dem Ruder zu laufen droht, legen wir eine Pause ein.

Können Sie immer neutral bleiben?

Das ist sehr wichtig und um das zu gewährleisten, bilde ich mich regelmäßig fort und nehme selber Supervision zur Reflexion meiner Arbeit in Anspruch.

Gibt es festgelegte Redezeiten?

Redezeiten sollten ausgewogen sein, damit sich niemand benachteiligt fühlt. Zudem nutzen wir auch Hilfsmittel, um Sachverhalte zu veranschaulichen. Wenn es beispielsweise um Gleichgewicht in der Beziehung geht, kommt eine Wippe mit zwei Puppen zum Einsatz. Es kommt vor, dass ein Partner zu viel fordert, also auf der Wippe immer weiter nach vorn rutscht. Dann entsteht ein Ungleichgewicht. Situationen werden auch mit dem Familienbrett verdeutlicht oder ich arbeite mit Seilen.

Mit Seilen?

Wenn es in einer Beziehung an Intimität und Leidenschaft fehlt, was durchaus häufig vorkommt, stellen die Seile einen Zeitstrahl dar. Die Paare können ihre Ehe oder Beziehung Revue passieren lassen, sich vergegenwärtigen, wann und wie sie Probleme gelöst haben. Und sie können sich daran erinnern, wann sie eine schöne Zeit erlebt haben und darüber nachdenken, wie sich solche Momente zurückholen lassen. Zum Beispiel einen Babysitter engagieren und sich die Zeit für ein schönes Abendessen im Lieblingslokal nehmen. Auch Dinge, die zunächst als Kleinigkeit erscheinen, können positive Veränderungen in Gang setzen.

Was sagen Ihre Klienten zu diesen Hilfsmitteln?

Die Resonanz ist überwiegend positiv. Es gab mal einen Klienten, der gesagt hat: „Mit Puppen spiele ich nicht.“ Wenn er sich nicht darauf einlassen möchte, ist das völlig okay. Flexibel zu bleiben und individuell zu arbeiten, ist wichtig.

Erst Pandemie, jetzt Inflation und steigende Energiepreise: Sind Ihre Dienste in der Krisenzeit gefragter?

Ja. Gerade der Lockdown hat dazu geführt, dass Paare weniger rausgekommen sind, Menschen weniger Freiräume hatten. Das ständige Beisammensein hat bereits bestehende Probleme in vielen Fällen verschärft.

Auch häusliche Gewalt hat während der Pandemie zugenommen.

Ja, leider. Um in diesem Fall eine Paartherapie durchzuführen, ist es von Bedeutung, dass der Gewaltkreislauf unterbrochen wird. Es ist wichtig, dass der „Täter“ in einer Einzeltherapie, etwa bei einem psychologischen Psychotherapeuten, an sich arbeitet. Sind dann beide Partner bereit ihre Beziehung anzuschauen, kann auf der Paarebene gearbeitet werden – es muss sicher sein, dass keine Gewalt mehr ausgeübt wird.

Können Stunden bei Ihnen über die Krankenkasse abgerechnet werden?

Nein, meine Praxis ist eine reine Selbstzahlerpraxis. Die Kosten müssen vom Klienten übernommen werden.

Wie hoch ist Ihre Erfolgsquote?

Das ist schwer zu sagen, ich erhebe keine Zahlen. Es gibt Paare, die geben nach drei Sitzungen positive Rückmeldung. Andere sind fast zwei Jahre bei mir. In diesen Fällen stellt sich die Frage, welche Impulse ich ihnen noch geben kann. Unterm Strich nimmt der Großteil etwas Positives mit. Auch wenn wir nicht immer die optimale Lösung finden.

Welche Unterschiede nehmen Sie in Ihrer Arbeit zwischen Mann und Frau wahr?

Meist kommt die Initiative, zur Paarberatung zu gehen, von Frauen. Sie sind in vielen Fällen offener, kommunikativer. Männer bringen oft Ruhe rein, sind stiller und rationaler. Es gibt aber auch Fälle, da ist es andersherum.

Nehmen Sie sich aus Ihrer Arbeit auch Impulse mit für Ihre Ehe?

Durchaus. Gerade während meiner Ausbildung haben wir auch Mal praktische Übungen mit unseren eigenen Partnern durchgeführt. Man lernt in diesem Job viel – und man lernt vor allem nie aus.

Paartherapeutin und Erzieherin

Werdegang Iris Eichwald startete ihre berufliche Laufbahn als Erzieherin. Vor acht Jahren hatte sie den Wunsch, sich weiterzuentwickeln und absolvierte eine Ausbildung zur systemischen Beraterin/Therapeutin für Einzelpersonen, Paare und Familien. Zertifiziert ist ihre Ausbildung von der DGSF, der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie. Eichwald empfängt ihre Klienten in ihrer Praxis in Tailfingen. Sie arbeitet zudem weiterhin als Erzieherin. Ursprünglich kommt die 52-Jährige aus Nordrhein-Westfalen, lebt aber schon seit langem im Zollernalbkreis.