Bernhard Deyhle geht davon aus, dass es diese Woche klappt: Bis zu acht geflüchtete Jugendliche sollen im Familienferiendorf Tieringen untergebracht werden. „Wir warten täglich darauf, dass das Landratsamt anruft“, sagt der Leiter des Feriendorfs. Vergangene Woche teilte das Landratsamt in Balingen auf Anfrage unserer Zeitung mit, dass eine mündliche Vereinbarung zur Unterbringung von unbegleiteten, minderjährigen Ausländern, kurz UMA, getroffen wurde. „Ja, wir haben zugesagt“, sagt Deyhle beim Pressegespräch am Montag, „für eine befristete Zeit für maximal drei Monate.“ Denn ab Mai sei das Feriendorf bereits komplett belegt.

Keine langfristige Lösung in Tieringen

Die Jugendlichen werden in zwei Häusern untergebracht. Es ist aktuell geplant, dass acht Personen zwischen 16 und 18 Jahren kommen werden, die sich jeweils zu viert ein Haus im Unterdorf teilen. „Bei uns ist das jetzt Hilfe in akuter Not“, sagt Deyhle. „Der Landkreis sucht dauerhaft Unterkünfte, für mindestens zwei Jahre.“ So eine langfristige Unterbringung ist aktuell im Feriendorf nicht drin – für die drei Monate ist es aber möglich. „Allein aus unserer christlichen und gesellschaftlichen Verantwortung heraus kann ich nicht sagen, wir lassen die Häuser leer stehen“, sagt Deyhle. In den Gesprächen mit dem Landratsamt ging es bis zur Vereinbarung um finanzielle und versicherungstechnische Fragen. Deyhle teilte außerdem den Gemeinderäten von Tieringen und den hiesigen Vereinen mit, dass für die nächsten Monate geflüchtete Jugendliche im Feriendorf untergebracht werden. Bei dem Treffen habe es Nachfragen gegeben, auch kritische, sagt Deyhle. „Aber es war eine große Offenheit dafür da.“
Wie auch bei den bereits bestehenden Wohngemeinschaften in Hechingen und Tailfingen wird das Diasporahaus Bietenhausen die Betreuung im Feriendorf übernehmen. „Unter der Woche werden Personen vom Diasporahaus nachmittags, wenn die Jugendlichen nicht in der Schule sind, da sein“, sagt Deyhle. „Das Diasporahaus Bietenhausen ist wirklich qualifiziert und ein verlässlicher Partner für uns und den Kreis.“
Die Jugendlichen können auch das Angebot des Feriendorfs nutzen, zum Beispiel deren Sportstätten. Das Feriendorf will auch weitere Räumlichkeiten, zum Beispiel einen Seminarraum, zur Verfügung stellen. Und falls die Jugendlichen nicht schwimmen können, will Deyhle einen Schwimmkurs organisieren, der im Hallenbad des Feriendorfs stattfinden kann.
Ob im Feriendorf nun öfters Geflüchtete untergebracht werden, kann Deyhle nicht sagen. „Man muss das jetzt mal machen.“ Grundsätzlich wäre es möglich. „Aber ich glaube, der Landkreis hat kein Interesse daran.“ Denn dieser wolle eine wirklich langfristige Unterbringung, außerdem seien die Jugendlichen zum Beispiel in Balingen besser untergebracht – dort ist die Schule nah und es gibt Einkaufsmöglichkeiten. Ob die Jugendlichen tatsächlich auch die kompletten drei Monate im Feriendorf bleiben werden, ist unklar. Deyhle weiß, dass das Landratsamt weiter nach langfristigen Unterkünften sucht und Gespräche mit Besitzern führt.

Größter Anbieter in der Region: 35 000 Übernachtungen pro Jahr

Mit etwa 35 000 Übernachtungen pro Jahr finden 15 Prozent aller touristischer Übernachtungen im Kreis im Feriendorf statt. „Wir sind der größte Anbieter in der Region“, sagt Deyhle. Das Jahr 2022 sei ein besonderes Belegungsjahr gewesen. Denn während viele Einrichtungen von der Coronapandemie gezeichnet gewesen seien, galt für das Feriendorf: „Wir waren so gut ausgebucht wie noch nie“, sagt Deyhle. Der Grund war ein bundesweites Förderprogramm, durch das sozial benachteiligte Familien oder Familien mit einem behinderten Kind einen Zuschuss für sieben Tage Erholungsurlaub in einer zertifizierten und anerkannten Familieneinrichtung erhielten. Das Feriendorf bewältigte dafür mehrere tausend Anfragen, letztlich konnten 750 Familien dort Urlaub machen. Es sei wünschenswert, würde es so etwas wieder einmal geben, sagt Deyhle.
Eine ähnliche Förderung sei vom Land Baden-Württemberg bereits vor Jahren gestrichen worden. Viele, die das Programm im vergangenen Jahr nutzten, seien aus Nordrhein-Westfalen gekommen. „NRW führt das Programm weiter“, weiß Deyhle, und hofft, dass von dort wieder Besucher nach Tieringen kommen. Um trotzdem gezielt auch Familien aus Baden-Württemberg einen Erholungsurlaub anzubieten, hat das Feriendorf vier Ferienprogramme aufgesetzt, sagt Deyhle: ein Programm für Familien mit einem Kind mit Behinderung, eine Bildungsfreizeit für Familien mit einem verstorbenen Elternteil, eine Freizeit für Familien mit Suchtbelastung und Urlaubs-Freizeiten für Alleinerziehende. „Für uns ist das eine gute Fortführung nach dem großen Förderprogramm vom Bund.“

Großes Angebot für Familien seit 1967

Das Feriendorf Tieringen wurde 1967 gegründet, mit dem Ziel, Familien in schwierigen und belastenden Situationen Erholung zu bieten. Inzwischen gibt es 40 Häuser auf zwei Ebenen – auf dem Unter- und dem Oberdorf. Insgesamt stehen 250 Betten zur Verfügung. Während der bundesweiten Ferien bietet das Feriendorf ein Sommerprogramm.