Mit dieser Körpertäuschung hatte Jack Grealish gerechnet. Der City-Spieler nimmt Dayot Upamecano den Ball ab, über Erling Haaland landet der Ball auf dem Kopf von Bernardo Silva – 2:0 für Manchester City. Es war die entscheidende Szene im Champions-League-Viertelfinal-Hinspiel FC Bayern München gegen die „Sky Blues“. „Bis dahin waren wir auf Augenhöhe und in der zweiten Hälfte sogar besser“, sagt Gerd Krug. „Es war eine Frage der Zeit, bis wir das 1:1 erzielen.“
Doch es kam eben anders, am Ende stand eine 0:3-Auswärtsniederlage für die Bayern und somit eine enorm schwierige Ausgangslage fürs Rückspiel am 19. April. Das ist auch Krug bewusst. Er ist Vorsitzender des FC Bayern Fan Clubs Albstadt 87, besitzt seit 1987 eine Jahreskarte für die Heimspiele der Münchner, ist seit 1988 Mitglied des Vereins – der Tailfinger hat Kontakte in die Geschäftsstelle und ist somit sehr nah dran am Geschehen rund um das Aushängeschild des deutschen Fußballs.
Trotz der Niederlage im Etihad Stadium nimmt Krug viel Positives aus dem Auftritt „seiner“ Bayern mit. „Gerade nach der Pause haben wir sehr druckvoll nach vorne gespielt. Aber auch davor war es ein Spiel auf Augenhöhe gegen eine starke Mannschaft. Da sieht man die positive Wirkung von Thomas Tuchel.“ Der neue Trainer sei nicht für die Pleite und das mögliche Aus verantwortlich – vielmehr dessen Vorgänger: „An der jetzigen Situation ist Julian Nagelsmann definitiv mit schuld“, sagt Gerd Krug. „Hätte er vor der Saison darauf gepocht, dass man einen richtigen Stürmer holt, hätte man das sicher auch gemacht.“ Doch man verzichtete darauf, und so „haben wir keinen echten Knipser“.
Es fehlt ein Weltklasse-Stürmer
Da stellt sich fast schon die Frage der Vereinsphilosophie: Möchte man für einen absoluten Weltklassestürmer (wie Erling Haaland) immens hohe Ablösesummen und Gehälter zahlen? Oder selbst lieber junge Spieler weiterentwickeln? „Wenn man international sportlichen Erfolg haben möchte, muss man wohl über kurz oder lang in solche Sphären gehen“, sagt Krug. „Oder man nimmt eine Durststrecke in Kauf – was bei Bayern ja bedeutet, ein oder zwei Jahre ohne Titel zu bleiben.“
Eine WM ohne Erfolgserlebnisse
Und trotzdem: Als regelmäßiger Stadiongänger spürt der leidenschaftliche Fan, dass im Team etwas nicht stimmt. „Ich habe ab und zu das Gefühl, dass keine Mannschaft auf dem Platz steht. Zumindest in gewissen Phasen; da ist es wie abgeschnitten.“
Einen Grund für die unbeständige Leistung sieht Krug in der Winterweltmeisterschaft in Katar. Zum einen, weil „kein Bayern-Spieler mit einem Erfolgserlebnis zurückkam“, und zum anderen wirke sich die mentale Belastung eines Großevents immer auf die folgende Spielzeit aus. „Irgendwann ist der Kopf leer.“
Dass die Münchner in diesem Jahr titellos bleiben, glaubt der Fan Club-Vorsitzende aus Tailfingen nicht. „Die Meisterschaft holen wir zu 100 Prozent.“ Und ist auch trotz 0:3 noch ein Weiterkommen in der Champions League möglich? „Wer 1999 beim Finale gegen Manchester United dabei war, weiß, dass im Fußball alles möglich ist.“
Zwei Tailfinger, ein Stadion, eine große Liebe
Manchmal muss der Zufall helfen. Gerd Krug und seine Ehefrau Andrea kommen beide aus Tailfingen. Ein Albstädter Stadtteil mit etwa 12 000 Einwohnern. Nicht klein, aber doch so überschaubar, dass man sich auf dem ein oder anderen Fest in Albstadt hätte begegnen können. Doch es kam anders: „Wir haben uns 1988 im Bayern-Block im Olympiastadion kennengelernt – es war das Heimspiel gegen Inter Mailand am 17. September.“
Gerd Krug hat sich das Datum genau gemerkt, an dem er seine Andrea getroffen hat. Die Bayern haben folglich dabei geholfen, dass sich die zwei Tailfinger kennengelernt haben und bis heute glücklich zusammen sind.