Ist das noch Bayreuth? Nur 20 Grad Celsius und Regen auf dem Grünen Hügel bei der „Parsifal“-Premiere an diesem Dienstag? Sagt jedenfalls der Wetterbericht. Man konnte sich die Festspiele zuletzt unter schweißtreibenden 35 Grad gar nicht mehr vorstellen. Heiße Debatten gab es in diesem Jahr im Vorfeld aber auch nicht, außer dass diverse Tenöre schlapp machten und umbesetzt werden mussten, Andreas Schager etwa springt als Parsifal für Joseph Calleja ein. Und dass, ein Aufschrei, nicht alle Abende seit Jahren vielfach überbucht und ausverkauft sind.
Der neue, niedergebuhte 2022er-„Ring“ von Regisseur Valentin Schwarz ist kein Ladenhüter, aber auch hartgesottene Wagnerianer halten sich offenbar zurück. So soll künftig der Vierteiler nicht mehr zwingend en bloc, im kompletten Zyklus, verkauft werden, Tickets wird es dann auch füre einzelne Abende geben, vom „Rheingold“ bis zur „Götterdämmerung“. Und noch Personalien zum „Ring des Nibelungen“: Den soll 2024 Philippe Jordan dirigieren, der Musikdirektor der Wiener Staatsoper mit großer Bayreuth-Erfahrung („Parsifal“ und „Meistersinger“), und die Siegfriede singt Publikumsliebling Claus Florian Vogt.
Der Festspielsommer also beginnt in Bayreuth, die Hotels haben ihre Ottmar-Hörl-Wagner-Skulpturen poliert, die Fahnen gehisst – und im „Bayerischen Hof“ etwa blickt man an der Rezeption sofort auf ein Plakat, das die Einführungsvorträge von Jürgen Ern ankündigt: „Antworten auf Wagner“. Ja, die sucht man hier. Aber am frühen Montagabend gab’s zunächst Antworten von Katharina Wagner, der Festspielchefin.

Erfahrener „Ring“-Dirigent

Auf einer virtuellen Pressekonferenz verkündete sie spannende Neuigkeiten – nicht nur, dass Jordan 2024 den „Ring des Nibelungen“ dirigiert.  So sollen 2026, wenn das große Jubiläum „150 Jahre Bayreuther Festspiele“ ansteht, alle zehn Wagner-Werke vom „Holländer“ bis zum „Parsifal“ auf dem Spielplan stehen – aber auch noch der frühe „Rienzi“ des Meisters, der nicht zum Bayreuther Kanon gehört. Zuvor aber zwei Neuproduktionen: 2024  „Tristan und Isolde“ in der Regie von Thorleifur Örn Arnarsson und unter der musikalischen Leitung von Semyon Bychkov. Und 2025 „Die Meistersinger von Nürnberg“ in einer Inszenierung von Matthias Davids und mit dem Dirigenten Daniele Gatti.
Jetzt aber zur Festspieleröffnung: Ein neuer „Parsifal“, den 330 der knapp 2000 Zuschauerinnen und Zuschauer mit einer gut 1000 Euro teuren AR-Brille sehen dürfen – erweiterte Realitäten in Bayreuth. Bei jeder Temperatur.