Josef Tal, 1910 in Posen geboren und 2008 in Jerusalem gestorben, war einer der bedeutendsten Komponisten Israels. Er gilt als Mitbegründer der klassischen Musik seines Landes, in das er zu einer Zeit emigrierte (1934), als es noch Palästina hieß. In Deutschland kennt man den Namen kaum mehr, obschon Tal an der Musikhochschule Berlin ein Meisterschüler von Paul Hindemith war. Hartmut Rohde, der auch im Mozart Piano Quartett die Bratsche spielt, hat Tals Werke für Viola für sich entdeckt. Das Resultat seiner Beschäftigung mit dieser ausdrucksstarken Musik kann man jetzt auf CD (Cavi/Harmonia Mundi) bestaunen. Darauf zu hören sind die beiden Solo-Werke „Suite“ (1940) und „Perspective“ (1996) sowie die Sonate (1960) und das Duo für Viola und Klavier (1965). Pianist Christian Seibert entpuppt sich als idealer Partner Hartmut Rohdes.

Wie sind Sie mit der Musik von Josef Tal in Berührung gekommen?

Hartmut Rhode: Im Rahmen der Eröffnung des neuen Gebäudes der Berliner Akademie der Künste gab es 2004 Konzerte mit seinen Werken. Tal galt in Israel als führender Komponist, aber auch als Enfant terrible. Er war persönlich zugegen, faszinierte mit seiner feinsinnigen und warmherzigen Art, probte engagiert mit uns und erklärte die Wandlungen der Musikrezeption im Verlauf seines Lebens. Dies war ein wichtiger Schlüssel hin zur Interpretation. Als sehr lesenswertes Buch empfehle ich Tals Autobiografie „Tonspur“.

Was für eine Art von Musik begegnet uns auf der CD?

Wir hören hier eine große Bandbreite: die frühe Suite noch mit Anklängen an die Regerschen Solosuiten,  wellenartige romantisch-melodische Bögen, im Gegensatz zu den Duowerken, die auf den ersten Blick mehr konstruiert wirken. Tal gelingt es aber stets, eine Synergie der Stimmen zu erschaffen und trotz der sehr dichten Tonsprache rhetorisch flexibel und lebendig zu bleiben. Großen Wert legte er auf die emotionale Ausleuchtung bei der Interpretation, das Atmen und die Kraft der Vorstellung.

„Perspecitive“ für Solo-Viola ist ja besonders faszinierend.

Dieses Werk, geprägt von farbenreichen Klangflächen, ist ein gutes Beispiel für seine späte Tonsprache. Es ist wie in einem großen Bogen komponiert. Rezitative Gesten und motorische Perpetuum-mobile-Passagen bereiten dem Spieler musikantische Freude, fordern ihn aber auch heraus. Besonders freue ich mich, die Neuausgabe seines Violakonzerts begleiten und editieren zu dürfen. Dieses herrliche Werk erscheint dann in der Saison 2019/20.