Der Suchtberater Johannes Knapp unterstützt Menschen, die zu viel Cannabis konsumieren: vor Ort in der Tübinger Beratungsstelle und seit 2012 landesweit  über das Online-Programm „Quit the Shit“. Sieben Wochen lang setzen sich dabei Betroffene mit professioneller Hilfe und anonym übers Internet intensiv mit ihrer Sucht auseinander.

Ist die Zahl der Leute, die Probleme mit Cannabis haben, gewachsen?

Johannes Knapp: Es kommen in den letzten Jahren mehr Menschen zu uns, die psychische oder physische Probleme durch den Konsum von Alkohol und anderen Drogen haben. Cannabis war schon vor zehn Jahren aktuell und ist es noch. Das Problem ist, dass es in dem Bereich lange zu wenig Angebote gab.

Wie muss man sich den durchschnittlichen Kiffer vorstellen?

Der Altersdurchschnitt liegt in unserer Beratung bei 28 Jahren, wobei die Bandbreite vom 60-Jährigen bis zum Elfjährigen reicht. Gut zwei Drittel sind Männer. Die User kommen aus fast allen Berufsfeldern, das Bildungsniveau ist jedoch vergleichsweise hoch.

An wen richtet sich das Programm „Quit the Shit“, das Sie von Tübingen aus für Baden-Württemberg ­landesweit aufgebaut haben?

Das Programm erreicht Klienten, die sonst nicht den Weg in die Beratungsstelle finden. Es ist für Leute, die vorwiegend Cannabis konsumieren. Die einzige Bedingung ist, den Konsum signifikant verändern zu wollen. Das kann heißen Reduktion oder auch Abstinenz. In Absprache mit uns Beratern stecken sich die User ihre Ziele selbst.

Warum machen die Leute mit, ­welche Ziele wollen sie erreichen?

Die Betroffenen nennen als Gründe meist finanzielle Aspekte, Probleme im sozialen Umfeld, mit dem Arbeitgeber oder der Justiz. Zentral ist oft der Wunsch, wieder selbstbestimmt das eigene Leben zu führen und einen klaren Kopf zu haben.

Wie abhängig sind die User?

Die User, die am Programm teilnehmen, haben in der Regel einen sehr hohen Konsum. Sie kiffen beispielsweise an 25 von 30 Tagen. Nicht wenige rauchen ein, zwei Gramm  am Tag. Das sind Leute, die nicht nur ein kleines Problem mit dem Kiffen haben, sondern schwer betroffene, kranke Leute.

Wie läuft das Programm dann
genau ab?

Das ist ein strukturiertes und intensives Programm von sieben Wochen. Wer einsteigen will, macht eine Eingangsbefragung mit, das dauert etwa zehn Minuten. Die User führen ein Tagebuch, in dem täglich der Konsum, Erfolge und Probleme eingetragen werden. Das ist ein großer Vorteil dieser Online-Begleitung: Die Klienten beschäftigen sich täglich mit der Sucht und nicht nur einmal die Woche in der Beratung.

Und dann geben Sie als ­Berater ­Feedback?

Die User erhalten jede Woche pünktlich immer am gleichen Tag als Feedback eine schriftliche Rückmeldung von zirka einer DIN-A4-Seite. Wir schauen uns die Eintragungen und die interaktiven Übungen an, motivieren und geben Tipps.

Wie viele nutzen das Programm?

Bis März hatten wir dafür zehn Stellenprozent und haben somit   regelmäßig drei bis sechs Klienten betreut. Mit der vom Land finanzierten 50-Prozent-Stelle ist nun das Ziel, 150 User im Jahr zu beraten. Das ist eine glückliche Situation, in anderen Bundesländern haben die Kollegen nur wenige Prozente, sodass viele von den Anfragen auf der Strecke bleiben.

Und wie viele schaffen es tatsächlich, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen?

Knapp ein Drittel schafft es, mit dem Kiffen ganz aufzuhören. Ein Großteil der übrigen schafft eine bedeutsame Reduktion. 44 Prozent ziehen das Programm bis zum Ende durch. Das entspricht in etwa dem, was man in der ­Face-to-face-Beratung auch hat.

Ausgangspunkt Bundeszentrale

Das Programm  „Quit the shit“ ist von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. In Baden-Württemberg bietet die Tübinger Sucht- und Drogenberatungsstelle des Landesverbands für Prävention und Rehabilitation (bwlv) das Programm seit 2012 an. Weitere Infos gibt es unter www.quit-the-shit.net. del