Am Nachmittag sind die Spitzen der Koalition von Grünen und CDU noch zuversichtlich. Für 17 Uhr lädt das Staatsministerium die Presse ein, um nach dem seit Monaten währenden Streit um die Umsetzung von Fahrverboten in Stuttgart eine Einigung zu verkünden.
Um 17.40 Uhr tritt dann anstelle von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) und den beiden Fraktionschefs Andreas Schwarz (Grüne) und Wolfgang Reinhart (CDU) aber nur Regierungssprecher Arne Braun vor die Journalisten. „Wir stehen kurz vor dem Durchbruch“, verkündet er. Aus Termingründen und weil noch letzte Details geklärt werden müssten, hätten sich die Spitzen der Koalition aber vertagen müssen. An diesem Mittwoch solle dann aber die Lösung des Problems gefunden werden.
 Wieder einmal hat sich die Regierung in der leidigen Frage verhakt. Diesmal angeblich an kleinen Formulierungen und der Frage, wie das Maßnahmenpaket zur Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs und zum Ausbau der Infrastruktur konkret aussehen soll. Dabei geht es um eine dreistellige Millionensumme, aber auch darum, ob das Geld eher in den ÖPNV (Grüne) oder auch stark in neue Umgehungsstraßen (CDU) fließen und wer neben Stuttgart alles davon profitieren soll.
 In der Hauptfrage sind sich beide Seiten vordergründig einig. Unstrittig ist, dass in Stuttgart „ab dem 1. Januar 2019“ ein „ganzjähriges“ Fahrverbot für Diesel der Euronorm 4 und schlechter eingeführt werden soll. So steht es in einer Tischvorlage, der die Fraktionen von CDU und Grünen in ihren  Sitzungen am Nachmittag zugestimmt haben. Weiter heißt es: „Vermieden werden sollen Verkehrsverbote für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Abgasnormen Euro 5/V. Hierfür werden zusätzliche wirksame Maßnahmen ergriffen, um die Luftschadstoffbelastung zu senken.“ Die CDU sieht das als ihren Sieg und sich als Retter der Euro-5-Diesel. Für den Fall, dass zum 1. Juli 2019 die Einhaltung der Grenzwerte Ende 2019 nicht in Sicht sei, heißt es in der Vorlage weiter, werde der Luftreinhalteplan aber fortgeschrieben.
Auf Seiten der Grünen wird dieser Passus so gelesen, dass das Fahrverbot dann automatisch auch Euro- 5-Diesel umfassen müsste. Dafür spricht der Nachsatz in der Vorlage, wonach bei einer Fortschreibung des Luftreinhalteplans „in jedem Fall“ Euro-5-Diesel mit Softwareupdates oder Hardware-Nachrüstungen für eine Übergangsfrist von zwei Jahren von Verboten ausgenommen werden sollen. In der CDU sind über diese indirekte Verknüpfung von Verboten und Euro 5 nicht alle glücklich. Vielleicht ändern die Unterhändler an diesen Formulierungen noch etwas über Nacht. Oder am Umgang mit Anwohnern mit Euro-4-Fahrzeugen, für die vom Verbot den Vorgesprächen zufolge eine Übergangsfrist bis zum 1. April 2019 vorgesehen ist.
So oder so wird die Frage sein, ob das Verwaltungsgericht Stuttgart einen möglichen grün-schwarzen Kompromiss in den skizzierten Umrissen überhaupt akzeptiert. In einem Schreiben vom 2. Juli hat der zuständige Richter Wolfgang Kern die Landesregierung unmissverständlich aufgefordert, Euro-5-Diesel in die Verbotspläne einzubeziehen.
Alles andere würde er als „eine offensichtliche Missachtung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts“ betrachten. Bis Montag will der Verwaltungsrichter von der Landesregierung konkrete Pläne sehen. Wenn sie ihm nicht weit genug gehen, droht dem Land ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro, ein eher symbolischer Betrag. In diesem Fall würde die grün-schwarze Landesregierung aber gegen die Entscheidung eine Rechtsbeschwerde einlegen.
Über diese müsste dann die 10. Kammer des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim entscheiden, bei der sich insbesondere die CDU mehr Verständnis für die Nöte der Politik erhofft als bei Verwaltungsrichter Kern. Andererseits hatte die Landesregierung mit ihren Plänen, Fahrverbote ganz oder möglichst weitgehend zu vermeiden, bisher wenig Erfolg.

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