Tiefe Verbeugung zum Abschied: Die Berliner Volksbühne ist zum „Theater des Jahres“ gewählt worden. Frank Castorf und sein Team kamen im jährlichen Bühnenranking der deutschsprachigen Theaterkritiker auf Platz eins, mit 18 von 46 Stimmen. Nach einem Vierteljahrhundert hat Castorf zum Ende der Spielzeit die Volksbühne verlassen, mit der er bereits im vergangenen Jahr (zusammen mit dem Berliner Gorki Theater) und im Jahr 1993 die begehrte, undotierte Auszeichnung holte.
Nahtlos kommt die Kritikerjury vom besten Theater zum „Ärgernis des Jahres“, das sich ebenfalls rund um die Volksbühne dreht. Über nichts habe man sich in Theaterkreisen 2016/17 begeisterter, wütender, wehmütiger erregt als über Castorfs Abschied, die Pläne des neuen Chefs und die Berliner Kulturpolitik. Castorfs Nachfolger ist der umstrittene Museumsmann Chris Dercon, dessen Start Anfang September mit Spannung erwartet wird.
Zur „Schauspielerin des Jahres“ wurde Valery Tscheplanowa gewählt. Sie spielte in Castorfs letzter großer, siebenstündiger Volksbühnen-Inszenierung „Faust“ die Margarete und die Helena. „Schauspieler des Jahres“ ist Joachim Meyerhoff. Er erhält die Auszeichnung für seine Rolle in „Die Welt im Rücken“ nach Thomas Melles gleichnamigem Borderline-Roman am Wiener Akademietheater.
„Inszenierung des Jahres“ wurde Milo Raus „Five Easy Pieces“ über das Leben und die Verbrechen des belgischen Kindermörders Marc Dutroux – nachgespielt von Kindern und vom Publikum mit großer Betroffenheit aufgenommen. Das „Stück des Jahres“ ist Simon Stones radikale Tschechow-Überschreibung „Drei Schwestern“ vom Theater Basel, die auch das Publikum des diesjährigen Berliner Theatertreffens begeisterte.
Das „Bühnenbild des Jahres“ ist Ulrich Rasches Entwurf für Schillers „Die Räuber“ am Münchner Residenztheater.