Über Monate soll er seine Schwester eingesperrt, gefoltert und sich schließlich an ihr vergangen haben: Vor dem Landgericht Konstanz ist das Urteil gegen einen 21-Jährigen gefallen. Der 21-Jährige wurde zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Der Richter sprach ihn der Vergewaltigung in fünf Fällen, gefährlicher Körperverletzung in zehn Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung in 40 Fällen für schuldig. Die Taten sollen sich zwischen Januar und Mai 2022 in seinem WG-Zimmer in Konstanz abgespielt haben.

Inzest in Konstanz: Anklage lautet auf Vergewaltigung

„Ich war der Sündenbock, für alles, was ihn gestört hat“, hatte die damals 18 Jahre alte Schwester in einer Vernehmung vom Juni 2022 gesagt, die vor Gericht abgespielt wurde. „Er hat seine ganze Wut an mir rausgelassen.“ Dem Prozess hat sie sich als Nebenklägerin angeschlossen, machte aber mittlerweile von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Obwohl Inzest in Deutschland verboten ist, gehörte er in diesem Fall von Beginn an nicht zu den Anklagepunkten. Der Grund: Das Strafmaß beim sogenannten Beischlaf zwischen Verwandten liegt laut Justizministerium bei einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren, für Vergewaltigung muss man deutlich länger in Haft. Geregelt ist das Inzestverbot in Paragraf 173 des Strafgesetzbuches.

Bruder soll seine Schwester gefoltert haben

Laut Anklage soll die junge Frau immer wieder in dem WG-Zimmer gefesselt worden sein. Fast täglich soll der 21-Jährige seine Schwester mit Fäusten, Kabeln und anderen Gebrauchsgegenständen geschlagen haben. Er soll ihre Haare ausgerissen und ihr mit einem heißen Messer Verbrennungen zugefügt haben. Auf die Brandwunden soll er Zitronensäure gekippt haben, um den Schmerz noch zu verstärken.
In der Video-Vernehmung spricht die heute 19-Jährige immer wieder von Folter und weint. An fünf Abenden Anfang bis Mitte Mai soll er sie schließlich vergewaltigt haben. Den Eltern soll er immer erzählt haben, der Schwester gehe es gut. Auch die beiden WG-Mitbewohnerinnen hatten laut einer Polizistin, die als Zeugin geladen war, nichts von den Taten geahnt.
Der Angeklagte hatte seine Schwester nach Konstanz geholt, weil sie ihm bei einem Umzug von einer WG in eine andere helfen sollte. Die Jugendliche lebte mit ihren Eltern und ihren fünf anderen Geschwistern in einer Flüchtlingsunterkunft in Schwäbisch Gmünd. Der Mann war im November 2015 aus Syrien nach Deutschland gekommen. Seine Familie kam 2021 nach.
Der Angeklagte wurde nach einem Hinweis der dortigen Polizei am 13. Mai festgenommen. Die Beamten mussten in der Unterkunft bereits seinetwegen anrücken. Dort soll er auch seine anderen jüngeren Schwestern und Brüder körperlich misshandelt haben. Zu sexuellen Übergriffen soll es aber nicht gekommen sein.

Inzest ist in Deutschland verboten

Sexueller Missbrauch und Vergewaltigung stehen immer wieder im Zusammenhang mit Inzest. Als Inzest bezeichnet man den Geschlechtsverkehr unter Mitgliedern der Kernfamilie. Also unter Eltern und Kindern, Großeltern und Kindern oder unter Geschwistern. Das Inzestverbot reicht laut Bundesverfassungsgericht bis ins Altertum zurück. Für das Verbot sprechen Befürworten zufolge vor allem zwei Gründe: die Gefahr von Erbschäden bei Kindern, die aus einem Inzest entstehen können, und der Schutz der Familie, die ohne Ordnungsgefüge ins Wanken geraten würde.