„Töte dich! Töte die anderen! Bring dich um!“: So hätte eine Stimme in seinem Kopf auf ihn eingeredet, berichtet der junge syrische Mann, der am 24. Juli vergangenen Jahres zuerst seine  Freundin mit einem Dönermesser getötet und dann im Amoklauf durch die Reutlinger Innenstadt weitere Menschen angegriffen haben soll. Der Angeklagte machte am gestrigen zweiten Verhandlungstag vor dem Tübinger Landgericht Angaben zur Person.
Bereits vor der Tat habe er zwei Mal versucht, sich die Puls­adern aufzuschneiden. Auch habe ihn die Stimme aufgefordert, einen Nachbarn im Wohnheim umzubringen. Zwei Mal stand er mit einem Küchenmesser und der Absicht, den Mann umzubringen, vor dessen Tür – der Nachbar öffnete nicht.
Die Stimme, die der junge Mann seinem Großvater zuschrieb, habe ihn auch dazu aufgefordert, hochprozentigen Alkohol, Marihuana, Ecstasy und andere Pillen zu konsumieren. „Die Stimme ist aufdringlich und hartnäckig. Sie hört nicht auf bis ich folge“, sagt er. Mit niemandem habe er darüber gesprochen, dass er immer wieder so etwas höre – aus Angst, man würde ihn für verrückt halten und aus Angst, er würde wegen der Drogen ins Gefängnis kommen.

In Gefängnis gefoltert

In seiner Heimatstadt Aleppo sei er kurz vor seiner Ausreise nach Europa festgenommen und in einem Polizeigefängnis gefoltert worden. Zusammen mit vielen anderen Leidensgenossen sei er pauschal verdächtigt worden, einen Sprengstoff-Anschlag vorbereitet zu haben.
„In Deutschland habe ich angefangen, Stimmen zu hören“, sagt der junge Mann. Im Sommer 2015 war er aus der Türkei ins bayrische Rosenheim gelangt:  mit dem Boot eines Schleppers nach Griechenland, über Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich. Als Flüchtling ist er in Deutschland anerkannt. Nach etwa einem halben Jahr zog er nach Reutlingen, wo bereits ein Freund wohnte. Anfang Juli fing er an, in einem türkischen Imbiss zu arbeiten – bis zu elf Stunden täglich, an sieben Tagen die Woche, wie er sagt. In dem Lokal lernte er die Frau kennen, die später Opfer der brutalen Messer-Attacke werden sollte.
Da  das Alter des Mannes noch nicht eindeutig bestimmt ist, bleibt unklar, ob der Prozess vor der Jugendkammer fortgesetzt wird. Dies soll sich am 28. Februar klären.